Umstrittene Glyphosat-Studie zurückgezogen
Eine Studie aus dem Jahr 2000, die eine zentrale Rolle in der Debatte um die Sicherheit des Pestizids Glyphosat spielt, ist vom Fachjournal "Regulatory Toxicology and Pharmacology" formell zurückgezogen worden. Sie war ein wichtiges Argument dafür, dass Glyphosat keine krebserregenden Wirkung habe.
Die Studie habe weithin als wegweisend in der Debatte gegolten, hieß es vom Fachverlag Elsevier, in dem das Fachjournal erscheint. Nun sei aber unklar, ob die gezogene Schlussfolgerung – dass das Herbizid "Roundup" und sein Wirkstoff Glyphosat nicht krebserregend sind – tatsächlich korrekt ist.
Es wurden Bedenken hinsichtlich der Urheberschaft der Studie, der Gültigkeit der Ergebnisse im Zusammenhang mit einer falschen Darstellung der Beiträge der Autoren und des Studiensponsors sowie potenzieller Interessenkonflikte der Autoren geäußert, schreibt der zuständige Chefredakteur Martin van den Berg in der Mitteilung.
Demnach gibt es mehrere Punkte, die zur Rücknahme führten, unter anderem: Die Schlussfolgerungen der Studie hinsichtlich der Karzinogenität von Glyphosat basieren ausschließlich auf Studien von Monsanto, die kein tumorauslösendes Potenzial zeigten, schreibt van den Berg. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung habe es andere Langzeitstudien zur chronischen Toxizität und Karzinogenität gegeben, deren Daten nicht berücksichtigt wurden.
Ein Rechtsstreit in den USA brachte Korrespondenz von Monsanto ans Licht, aus der hervorgeht, dass die drei in der Studie genannten Autoren wohl nicht allein für den Inhalt verantwortlich waren. Stattdessen hätten möglicherweise Mitarbeiter von Monsanto ohne ordnungsgemäße Nennung als Mitautoren an der Erstellung mitgewirkt.
Die anscheinenden Beiträge der Mitarbeiter von Monsanto als Mitautoren wurden im Abschnitt "Danksagungen" nicht ausdrücklich als solche erwähnt. "Diese Auslassung lässt vermuten, dass die Autoren ihre jeweiligen Rollen und den kooperativen Charakter der vorgestellten Arbeit falsch dargestellt haben könnten."
Weitere während des Rechtsstreits offengelegte Korrespondenz mit Monsanto deutet der Mitteilung zufolge darauf hin, dass die drei offiziell genannten Autoren möglicherweise eine finanzielle Vergütung von Monsanto für ihre Arbeit an der Studie erhalten haben, was nicht offengelegt wurde.
Die Studie hatte jahrzehntelang einen erheblichen Einfluss auf regulatorische Entscheidungen in Bezug auf Glyphosat und Roundup, wie es hieß. "Angesichts seines Status als Eckpfeiler für die Bewertung der Sicherheit von Glyphosat ist es unerlässlich, dass die Seriosität dieses Übersichtsartikels und seiner Schlussfolgerungen nicht beeinträchtigt wird."
Angesichts dieser Punkte gebe es kein Vertrauen mehr in die Ergebnisse und Schlussfolgerungen, das mache die Rücknahme notwendig, betont van den Berg.
Der jetzige Monsanto-Eigner Bayer wies die Kritik zurück. Bei der zurückgezogenen Studie handele sich um einen reinen Übersichtsartikel ordnungsgemäß eingereichter Studien, erklärte Konzernsprecher Philipp Blank in einer Stellungnahme auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur. "Glyphosat ist das in den letzten 50 Jahren am umfassendsten untersuchte Herbizid." Unter führenden Regulierungsbehörden weltweit herrsche Einigkeit, dass Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung sicher sei.
Glyphosat gilt nach Einschätzung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsagentur (WHO) als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen. Behörden wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sehen bei Einhaltung der Anwendungsregeln kein relevantes Krebsrisiko.
Der vermeintliche Widerspruch ist dabei nicht wirklich einer: Die IARC beurteilte die Krebsgefahr, also die generelle Möglichkeit, dass Glyphosat Krebs verursacht. In die Bewertung der Behörden floss das Alltagsrisiko als Faktor ein. Die EFSA bewertet das Krebsrisiko bei den Mengen, die ein Mensch üblicherweise etwa über Lebensmittel aufnimmt, als vernachlässigbar.
Es handelt sich dabei um ein Totalherbizid, das nahezu alle grünen Pflanzen schädigt. Glyphosat wird seit Mitte der 1970er Jahre vor allem unter dem Handelsnamen "Roundup" genutzt und ist heute in zahlreichen Pflanzenschutzmitteln verschiedener Hersteller enthalten. Landwirte sprühen es beispielsweise vor der Aussaat auf Felder, um unerwünschte Konkurrenzpflanzen zu vernichten.
Die EU hat die Genehmigung für Glyphosat zuletzt bis Ende 2033 verlängert. In einem Teil der Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, sind Anwendungen in Haus- und Kleingärten sowie auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, verboten oder stark eingeschränkt. In den USA hatten in den vergangenen Jahren an Krebs erkrankte Menschen, die "Roundup" verwendet hatten, mehrfach hohe Schadenersatzsummen zugesprochen bekommen.