Krampus zwischen Brauchtum und Event
Er ist der treue Begleiter des heiligen Nikolaus und soll die Unartigen bestrafen. Ursprünglich hatte der Krampus seinen großen Tag am 5. Dezember, mittlerweile beginnt die "Krampussaison" vielerorts aber bereits Mitte November mit zahlreichen Shows und Veranstaltungen. Der Salzburger Volkskundeexperte Michael Greger spricht von einer "Eventisierung".
Der Rummel um den Krampus erreicht an diesem Wochenende seinen jährlichen Höhepunkt. Ob mit greller Lasershow und dröhnender Musik oder mit eigener Choreografie und jeder Menge Pyrotechnik: Wer heute zu einem Krampusrummel geht, darf sich meist ein durchgeplantes Spektakel erwarten.
Seit einigen Jahren erlebt der Krampus einen regelrechten Boom – eine Entwicklung, die vor allem auf die Digitalisierung und soziale Netzwerke zurückzuführen sei, sagt der Leiter des Salzburger Landesinstituts für Volkskunde, Michael Greger, und spricht von einer "Eventisierung" des Krampusbrauchs.
"Seit den 2000er Jahren nehmen die Krampusläufe und Veranstaltungen stark zu, und das kann man wissenschaftlich tatsächlich auf die Verbreitung des Internets zurückführen. Durch das Internet wurde es für die einzelnen Gruppen möglich, sich ganz anders zu präsentieren und zu ihren Veranstaltungen einzuladen. Das Interesse an diesem Brauch ist immer noch ungebrochen", so Greger.
Das zeige auch die Anzahl der Krampuspassen, die sich in Salzburg seit 2015 von rund 500 auf geschätzte 800 bis 1.000 beinahe verdoppelte. Genaue Zahlen gebe es aber leider nicht, heißt es vom Verband der Salzburger Heimatvereine.
Über Social Media wurde die eigene Vermarktung noch zusätzlich professionalisiert und angekurbelt. Mit teils aufwendig produzierten Videos und Fotos wird um die Aufmerksamkeit der Userschaft gebuhlt und Werbung für anstehende Events gemacht.
"Deshalb beginnt die ‚Krampuszeit' auch immer früher, und die Umzüge, Läufe und Shows finden mittlerweile bereits ab Anfang/Mitte November statt. Immerhin will ja jeder bei seinem Event das größte Publikum erreichen und nicht womöglich mit anderen Gruppen in Konkurrenz stehen. Sprich: Auch der ökonomische Anspruch ist stark gewachsen", erklärte Greger im ORF-Gespräch.
Gemeinsam mit diesem ökonomischen Anspruch der Veranstalter sei auch der Unterhaltungsanspruch des Publikums gestiegen. "Und das ist genau diese ‚Eventisierung', von der ich spreche", so der Wissenschaftler.
Ein gutes Beispiel dafür sei etwa der Krampuslauf im Salzburger Stadtteil Gnigl in diesem Jahr gewesen, zu dem zum 50-Jahr-Jubiläum nicht nur 55 Krampusgruppen mit mehr als 1.000 teuflischen Teilnehmern kamen, sondern auch mehr als 10.000 Besucherinnen und Besucher.
Etwas kleiner, aber nicht weniger Spektakel wurde eine Woche zuvor bei einer Krampusveranstaltung bei Großgmain (Flachgau) geboten. Unter dem Titel "Diabolus in Carne" fand eine Show statt, an der nicht nur Dutzende Krampusse mitwirkten, sondern neben Licht- und Pyrotechnikern auch Fallschirmspringer und eigens engagierte Schauspielerinnen und Schauspieler zum Einsatz kamen.
Ein Event, das seit Jahren sehr gefragt sei, sagte einer der Mitorganisatoren der Show, Marcel Krabath von den Hinterreiter Krampussen. An zwei aufeinanderfolgenden Abenden kamen 1.000 Besucherinnen und Besucher, die Shows waren beide Male ausverkauft.
"Wir haben in den letzten Jahren festgestellt, dass sich die Anforderungen des Publikums verändert haben. Die Leute wollen immer mehr Spektakel und Unterhaltung, und da reicht es nicht mehr, dass ‚nur' der Krampus mit dem Nikolaus kommt. Beim Latschenwirt ist es im Laufe der Jahre eine echte Show geworden, die absolut professionell organisiert wird – von der Musik über das Licht, die Schauspieler samt Drehbuch bis hin zu unserem Auftritt", so Krabath.
Es sei aber ein "Tanz auf Messers Schneide", die richtige Balance zwischen Show und Brauchtum zu finden. "Wir versuchen aber, beides so gut wie möglich unter einen Hut zu bekommen."
Jedes Jahr eine neue Show, jedes Jahr eine neue Maske – auch bei Arthur Moinat ist die Nachfrage so groß wie nie. Der 34-jährige Pinzgauer ist seit mehr als elf Jahren hauptberuflicher Maskenschnitzer in Zell am See (Pinzgau) und schnitzte allein dieses Jahr knapp 120 Krampusmasken.
Dass Moinat mittlerweile gut von seinem Beruf leben kann, liegt unter anderem an der Investitionsfreude seiner Kunden. "Ich habe viele Passen, die sich jedes Jahr alle eine neue Maske von mir schnitzen lassen. Die Leute geben heutzutage definitiv mehr für dieses Hobby aus." Für rund 800 Euro bekomme man bereits eine anständige Krampusmaske.
Sind das Design, der Ausdruck, die Bemalung recht aufwendig, das Holz exklusiver, kann eine Maske aber rasch mehrere tausend Euro kosten. "Dann wird das Krampuskostüm auch gern zum Statussymbol", so Moinat.
"Ich fertige aber nur Masken aus Holz und mit echten Hörnern. Die Qualität ist mir bei meiner Arbeit sehr wichtig, auch was die Art der Masken betrifft. Natürlich gibt es viel kreativen Spielraum – der Krampus verkörpert den Teufel und der ist in seiner Gestalt ja bekanntlich sehr frei –, aber Masken, die schon etwas Monsterähnliches haben, mehr einem Alien als einem Krampus gleichen, die mache ich nicht", sagte der Kunsthandwerker. Mittlerweile gebe es bei Design, Machart und Ausdruck aber kaum noch Grenzen.
Wo ein Trend vorherrscht, gibt es bekanntlich meist auch eine Gegenströmung – wie etwa im Salzburger Gasteinertal (Pongau), wo es mehr als 100 Krampuspassen gibt. Sie alle sind aber ausschließlich am 5. und 6. Dezember unterwegs. Dabei besuchen die Gruppen in Begleitung des Nikolaus an diesen beiden Tagen jedes Haus im gesamten Tal. Welche Masken dabei getragen werden dürfen, welche Felle, welche Ruten, wird seit über 100 Jahren genau vorgegeben.
"Auch bei uns kommen zwar jedes Jahr neue Passen mit jungen Burschen dazu, aber die Frage, alles moderner zu machen – mit Shows oder anderen Events –, hat sich im Grunde nie gestellt. So, wie wir es machen, wurde es schon immer von den Alten an die Jungen weitergegeben", sagte Matthias Pfister, Nikolaus der Herreiter Pass in Dorfgastein. Nur klassische Krampuskränzchen in Gasthäusern und Lokalen gebe es auch bei ihnen bereits ab 20. November, so Pfister.
Ob modern oder traditionell, mit Fallschirm oder doch "nur" den großen Glocken auf dem Rücken – die Chance bzw. Gefahr heute oder morgen einem Krampus in die Arme zu laufen, ist also überall relativ hoch.