Schüsse auf Nationalgardisten: Täter festgenommen, Motiv unklar
Nach einem bewaffneten Angriff auf zwei US-Nationalgardisten nahe des Weißen Hauses in Washington am Mittwoch ist ein mutmaßlicher Täter festgenommen worden. Die beiden Angeschossenen seien in "kritischen Zustand", sagten FBI-Chef Kash Patel und Bürgermeisterin Muriel Bowser bei einer Pressekonferenz. Bowser sprach von einem gezielten Angriff. US-Präsident Donald Trump sprach von einem Terrorakt. Das Motiv für die Tat ist unklar.
Bei dem mutmaßlichen Täter soll es sich laut US-Medienberichten um einen 29-jährigen Afghanen handeln, der 2021 in die USA einreiste, aber erst 2025 nach Trumps Amtsantritt Asyl gewährt bekam. Trump kündigte drastische politische Konsequenzen an. Alle Afghanen im Land sollten überprüft werden, die unter seinem demokratischen Amtsvorgänger Joe Biden in die USA gekommen waren, wie er sagte.
Zudem werde er "alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass alle Ausländer aus allen Ländern abgeschoben werden, die nicht hierhergehören oder unserem Land keinen Nutzen bringen", sagte der Republikaner in einer Ansprache. Er ordnete zudem die Entsendung von rund 500 weiteren Soldatinnen und Soldaten der Nationalgarde in die Hauptstadt an.
Ein Vertreter der Washingtoner Polizei erläuterte, der Schütze sei am Mittwochnachmittag (Ortszeit) nahe der U-Bahn-Station Farragut West aufgetaucht und habe unmittelbar auf die Nationalgardisten gefeuert. Weitere Mitglieder der Nationalgarde hätten die Schüsse gehört, eingegriffen und den Verdächtigen überwältigt. Die Polizei sei wenige Augenblicke später eingetroffen.
Zur Identität der Angeschossenen gibt es keine Angaben – unbestätigten US-Medienberichten zufolge handelte es sich um eine Soldatin und einen Soldaten. Zunächst hatte es Verwirrung um den Zustand der Opfer gegeben. Der Gouverneur von West Virginia, Patrick Morrisey, erklärte, die beiden seien gestorben. Wenig später teilte er via X mit, es gebe widersprüchliche Berichte über ihren Zustand.
In einer späteren Videobotschaft ging der republikanische Gouverneur nicht auf seinen ursprünglichen Post über den angeblichen Tod der Soldaten ein. Morrisey zufolge stammen die beiden aus seinem Bundesstaat West Virginia. Der Vorfall schockierte die USA am Vorabend des wichtigen Feiertags Thanksgiving, des Erntedankfests.
Im aufgeladenen politischen Klima in den USA entbrannte sofort eine Debatte darüber, wer die politische Verantwortung für den Vorfall trägt. Auch Heimatschutzministerin Kristi Noem machte indirekt Bidens Regierung verantwortlich. Der Afghane sei ohne die nötigen Überprüfungen ins Land gekommen, behauptete sie. Erste republikanische Abgeordnete forderten drastische Maßnahmen gegen Ausländer im Land.
Trump bezeichnete den Schützen als "Tier" und erklärte, er müsse "den höchstmöglichen Preis bezahlen". Er bezeichnete die Tat auch als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Trump nannte Afghanistan in seiner Ansprache ein "Höllenloch auf Erden" und stellte die Behauptung auf, Millionen Menschen seien unter Biden aus aller Welt ohne nötige Überprüfungen in die USA gekommen.
Selbst während der teils chaotischen Evakuierung von Afghanen aus Kabul durch das US-Militär 2021 wurden Afghanen nicht direkt in die USA gebracht. Sie wurden unter anderem auf einen US-Stützpunkt in Katar gebracht, wo bereits Sicherheitsprüfungen durchgeführt wurden. Die US-Einwanderungsbehörde USCIS erklärte, die Bearbeitung aller Einwanderungsanträge von Afghanen werde mit sofortiger Wirkung ausgesetzt.
Führende Demokraten riefen zu einem friedlichen Miteinander auf. So erklärte etwa der demokratische Senator Jack Reed, es brauche nun "Ruhe, Mitgefühl und Einheit". Die US-Organisation AfghanEvac, die sich für Afghanen einsetzt, warnte davor, den Angriff politisch zu instrumentalisieren. Die isolierte Tat eines Einzelnen dürfe nicht als Vorwand dienen, eine ganze Gemeinschaft zu diskreditieren – das treibe die gesellschaftliche Spaltung weiter voran.
Die Nationalgarde ist eine militärische Reserveeinheit und Teil der US-Streitkräfte. Sie untersteht in der Regel der Kontrolle der Bundesstaaten und werden etwa bei Naturkatastrophen, Unruhen oder anderen Notlagen eingesetzt. In bestimmten Situationen kann jedoch auch der US-Präsident das Kommando übernehmen. Für die Hauptstadt Washington, die rechtlich kein eigener Bundesstaat ist, gelten Sonderregeln.
Seit dem Sommer sind mehr als 2.000 Nationalgardisten in der Stadt unterwegs. Trump hatte sie im August dorthin beordert und den Einsatz mit angeblich ausufernder Kriminalität begründet. Diese Darstellung ist heftig umstritten – Statistiken stützen sie nicht.
Die Stadt ging juristisch gegen den Einsatz vor. Eine Bundesrichterin erklärte die Mobilisierung der Nationalgarde jüngst für unzulässig und ordnete an, sie zu beenden. Sie setzte ihre Entscheidung jedoch für drei Wochen aus, damit die Trump-Regierung in Berufung gehen kann. Ebenfalls am Mittwoch stellte die Regierung einen Eilantrag, um die Entscheidung der Richterin auszusetzen.
In Sozialen Netzwerken kam es unterdessen zu gegenseitigen Schuldzuweisungen. Einige argumentierten, die Nationalgarde hätte gar nicht in Washington stationiert werden dürfen und sei dadurch unnötig gefährdet worden. Andere machten die Rhetorik demokratischer Kongressmitglieder für den Angriff mitverantwortlich.
Die Stimmung in der Hauptstadt ist seit dem Sommer angespannt. Neben der Nationalgarde kamen auch andere Bundesbehörden zum Einsatz. So nahmen etwa teils vermummte Beamte der Migrationsbehörde ICE bei Razzien in Wohnvierteln Migranten fest; im Netz verbreiteten sich Videos solcher Einsätze, die von vielen als willkürlich empfunden wurden. Es regte sich Protest.
Die Nationalgarde patrouillierte jedoch – anders als etwa ICE – vor allem an touristischen Orten und leistete Hilfsdienste wie Müllbeseitigung. Anfangs waren die Nationalgardisten unbewaffnet, später änderte sich das. Es gab Warnungen, dieser Schritt könne die ohnehin angespannte Lage weiter verschärfen.