Nach Trumps Ultimatum: Pläne für Ukraine sorgen für Hektik in Europa
28 Punkte soll der Friedensplan der US-Regierung für die Ukraine umfassen, darunter Gebietsabtretungen. Dass die USA der Ukraine nun ein Ultimatum für eine Zustimmung bis Donnerstag stellten, brachte am Freitag in der Ukraine und der EU die Alarmglocken zum Schrillen. Denn den Plänen von US-Präsident Donald Trump wird Kiew kaum zustimmen können. Dort sucht man daher "Alternativen". Auch in Europa arbeitet man an einem Gegenvorschlag.
Eine Frist für Kiew, den von den USA vorgelegten Plan bis Donnerstag zu unterzeichnen, sei "angemessen", sagte Trump am Freitag auf Fox News. "Wenn alles gut läuft, neigt man dazu, die Fristen zu verlängern."
Der "Washington Post" zufolge verknüpften die USA das Ultimatum mit einer Drohung. Sollte sich das von Russland angegriffene Land gegen den Friedensplan sträuben, müsse es mit dem Verlust der US-Unterstützung rechnen, berichtete das Blatt unter Berufung auf mehrere Insider.
Die Berichte über die für Kiew nur schwer akzeptablen Bedingungen und Drohgebärden aus dem Weißen Haus riefen am Freitag auch die Europäer auf den Plan. Der deutsche Kanzler Friedrich Merz telefonierte mit Trump, das Gespräch sei "vertrauensvoll und verbindlich" gewesen und es seien "nächste Schritte" der Abstimmung auf Ebene der Berater verabredet worden, hieß es aus Berlin.
Die Europäer waren von dem Vorstoß Trumps überrascht worden. Sie arbeiten nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen nun an einem eigenen Vermittlungspapier, das noch in Abstimmung sei.
Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer waren sich zuvor bei einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einig gewesen, "dass jede Vereinbarung, die die europäischen Staaten, die Europäische Union oder die NATO betrifft, einer Zustimmung der europäischen Partner beziehungsweise eines Konsenses der Alliierten bedarf", wie es in einer schriftlichen Erklärung hieß.
Merz, Macron und Starmer wollten weiterhin das Ziel verfolgen, "vitale europäische und ukrainische Interessen" langfristig zu wahren. Dazu gehöre unter anderem, dass die Kontaktlinie zwischen den Truppen beider Seiten Ausgangspunkt einer Verständigung sein müsse. Zudem müssten die ukrainischen Streitkräfte imstande bleiben, die Souveränität der Ukraine wirkungsvoll zu verteidigen.
Merz und andere führende Staats- und Regierungschefs aus Europa werden am Samstag auch am Rande des G-20-Gipfels im südafrikanischen Johannesburg zu Krisengesprächen zusammenkommen. Die USA, China und Russland sind auf dem Gipfel auf Chefebene jedoch nicht vertreten.
Der ukrainische Präsident schwor in einer Videoansprache seine Landsleute "auf einen der schwersten Momente in der Geschichte unseres Landes" ein. "Gerade könnte die Ukraine vor einer sehr schweren Wahl stehen: entweder die Würde verlieren oder das Risiko eingehen, den Schlüsselpartner zu verlieren. Entweder die schwierigen 28 Punkte (des US-Friedensplans, Anm.) oder ein äußerst schwerer Winter", sagte der Staatschef.
Nach einem Telefonat mit US-Vizepräsident JD Vance erklärte Selenskyj am Freitag, sein Land wolle mit den USA und den Europäern einen Friedensplan ausarbeiten. Man habe eine Zusammenarbeit der nationalen Sicherheitsberater vereinbart, um den Weg zu einem Frieden "wirklich zu ebnen", teilte Selenskyj nach dem fast einstündigen Gespräch mit Vance auf der Onlineplattform X mit.
In seiner Videoansprache kündigte Selenskyj an, "Alternativen" zu dem US-Vorschlag vorlegen zu wollen. "Ich werde Argumente vorbringen, ich werde überzeugen", sagte der Präsident. Er erinnerte daran, wie er nach Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 die Reaktion seines Landes koordiniert hatte: "Wir haben die Ukraine damals nicht verraten und wir werden es auch jetzt nicht tun."
Der russische Präsident Wladimir Putin zeigte sich nach Vorlage des US-Friedensplans offen für Verhandlungen. Dieser könne die Grundlage sein für eine friedliche Lösung, sagte Putin bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates.
Er bestätigte damit erstmals, dass ihm der Text vorliegt. Es handle sich um eine neue Fassung von dem, was bereits früher diskutiert worden sei – etwa auch bei seinem Treffen mit Trump in Alaska im August.
Zugleich äußerte der Kreml-Chef einmal mehr Zweifel, dass sich die Ukraine auf die Vorschläge einlasse. Das Land und seine europäischen Verbündeten pflegten weiter die Illusion, Russland auf dem Schlachtfeld eine strategische Niederlage zufügen zu können.
Zuvor waren bereits detaillierte Auflistungen des 28-Punkte-Plans der USA kursiert. Laut diesem enthielt der neue Plan zahlreiche Vorschläge, die für Kiew nur schwer zu akzeptieren sein dürften. Der Entwurf umfasst unter anderem Punkte wie den Verzicht eines NATO-Beitritts der Ukraine, ein auf 600.000 Soldaten begrenztes Heer und dauerhafte Gebietsabtretungen.
Die Krim und die ebenfalls besetzten ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk sollen als faktisch russisch anerkannt werden. Die beiden teilweise von Russland kontrollierten Regionen Cherson und Saporischschja im Süden der Ukraine würden dem Plan zufolge entsprechend dem aktuellen Frontverlauf aufgeteilt.
Die Ukraine soll im Gegenzug Sicherheitsgarantien der USA erhalten, wofür die USA gemäß Plan entlohnt werden sollten. Der Entwurf sehe dem Nachrichtenportal Axios zufolge eine an den NATO-Artikel 5 angelehnte Klausel vor.
Ein "bedeutender, vorsätzlicher und anhaltender bewaffneter Angriff" Russlands über die Waffenstillstandslinie hinweg würde als Angriff gewertet, der den transatlantischen Frieden bedroht, berichtete Axios. Die NATO-Mitglieder würden sich verpflichten, bei einer solchen Verletzung gemeinsam mit den USA zu handeln. Das Abkommen soll nach der Unterzeichnung zehn Jahre lang gültig sein.
Die ukrainische Botschafterin in den USA, Olha Stefanischyna, schloss Grenzverschiebungen kategorisch aus. "Die territoriale Integrität der Ukraine und eine Änderung der ukrainischen Grenzen sind keine Themen, die zur Diskussion stehen sollten", sagte die Diplomatin in Washington. Kiew vertrete weiter die Position, den russisch-ukrainischen Krieg an der aktuellen Frontlinie zu stoppen. "Es mag detailliertere Gespräche darüber geben, wo genau diese Linie verläuft, aber das ist derzeit Teil dieses Dialogs", sagte Stefanischyna.