Ukraine-Krieg: Neue Details zu US-Friedensplan
Kein NATO-Beitritt der Ukraine, eine kleinere Armee und der Verzicht auf den Donbas: Der am Mittwoch erstmals bekanntgewordene US-Friedensplan für die Ukraine enthält erhebliche Zugeständnisse der Ukraine an Russland. Den Entwurf des 28 Punkte umfassenden Plans, von dem davor nur Teile bekannt waren, veröffentlichten mehrere Medien in der Nacht auf Freitag. Washington sprach zuletzt von einem "Arbeitsdokument".
Mehrere Medien wie das US-Nachrichtenportal Axios und die britische "Financial Times" veröffentlichten die Auflistung, deren Inhalt auch von Regierungsvertretern der USA und der Ukraine bestätigt wurde. Der ukrainische Parlamentsabgeordnete Olexij Hontscharenko, der zur Oppositionsfraktion Europäische Solidarität gehört, stellte den Plan via Telegram ins Netz.
Inhaltlich orientiert sich dieser vor allem an bisherigen russischen Maximalforderungen. Laut den Berichten werden die Krim und die ebenfalls besetzten ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk darin als faktisch russisch anerkannt. Die beiden teilweise von Russland kontrollierten Regionen Cherson und Saporischschja im Süden der Ukraine würden dem Plan zufolge entsprechend dem aktuellen Frontverlauf aufgeteilt.
Zudem sieht der Plan vor, dass das Atomkraftwerk Saporischschja der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) unterstellt und der dort produzierte Strom zu gleichen Teilen zwischen der Ukraine und Russland aufgeteilt wird. Die Ukraine müsste atomwaffenfrei bleiben und die Truppenstärke der Armee auf 600.000 Mann begrenzen.
Den Berichten zum angeblichen Friedensplan zufolge soll die Ukraine im Gegenzug zum Schutz vor einer künftigen russischen Aggression Sicherheitsgarantien erhalten. Nähere Angaben werden zwar nicht gemacht, allerdings sollen im NATO-Land Polen "europäische Kampfflugzeuge" stationiert werden. Für ihre nicht näher definierten Sicherheitsgarantien würden die USA gemäß dem Friedensplan entlohnt. Die Ukraine hatte zuletzt auf eine von Europa angeführte Friedensmission gehofft.
Gemäß dem Plan soll die Souveränität der Ukraine bestätigt werden und Russland, die Ukraine und Europa die Konflikte der vergangenen 30 Jahre für beendet erklären. Sie sollten vereinbaren, einander nicht anzugreifen. Russland und die USA würden laut dem US-Plan wieder über nukleare Rüstungskontrolle sprechen. Russland sollte sich per Gesetz dazu verpflichten, Aggressionen gegenüber Europa und der Ukraine abzuschwören.
Vorgesehen sei auch, dass die Ukraine qua Verfassung auf einen NATO-Beitritt verzichtet sowie eine Amnestie für Kriegsverbrecher und die Rückkehr Russlands in die Weltwirtschaft akzeptiert. Beschlagnahmtes russisches Staatsvermögen in Milliardenhöhe soll dazu genutzt werden, Wiederaufbau und Investitionen in der Ukraine zu fördern – eine Bedingung, die für Moskau nicht leicht zu akzeptieren sein dürfte.
Das bisherige Ziel der Ukraine ist dagegen, neben dem militärischen Druck durch westliche Waffenhilfe Russland auch zunehmend mit Sanktionen unter Druck zu setzen, damit es wirtschaftlich künftig nicht mehr in der Lage ist, den Krieg fortzusetzen.
Eine weitere zentrale Forderung Moskaus betrifft die ukrainische Innenpolitik: Die Ukraine müsste innerhalb von hundert Tagen nach Abschluss des Abkommens eine Wahl abhalten, heißt es in dem Plan. Zwar darf sie der EU beitreten, angesichts der komplizierten Gemengelage dürfte es dazu in absehbarer Zukunft aber ohnehin kaum kommen.
US-Präsident Donald Trump selbst würde laut diesem Plan einem "Friedensrat" vorstehen, der den Waffenstillstand überwachen soll. Außerdem sieht Trumps Plan eine amerikanisch-russische Arbeitsgruppe zu Sicherheitsfragen vor, die über die Einhaltung des Abkommens wachen soll. Gegründet werden soll nach den US-Vorstellungen nicht zuletzt ein internationaler Fonds zum Wiederaufbau und zur Entwicklung der ukrainischen Infrastruktur.
Am Mittwoch war bekanntgeworden, dass die USA einen neuen Friedensplan erarbeitet hatten. Laut US-Medien sei dieser in geheimen Beratungen mit russischen Vertretern erstellt worden. Trump hatte Russland und die Ukraine immer wieder zu einem Ende der Kampfhandlungen aufgefordert und beide Kriegsparteien auch kritisiert.
Nun steht erneut besonders der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj unter Druck, nicht nur wegen des Vorrückens der russischen Truppen im Osten des Landes, sondern auch wegen eines Korruptionsskandals, der bis in die Regierung des in die EU strebenden Landes reicht.
Die Sprecherin der US-Regierung, Karoline Leavitt, sagte am Donnerstag, dass US-Außenminister Marco Rubio und der US-Sondergesandte Steve Witkoff wochenlang an einem Plan gearbeitet hätten. Sie seien mit Russland und der Ukraine gleichermaßen in Austausch getreten, um zu verstehen, wozu die Länder jeweils bereit seien, um einen dauerhaften Frieden zu erreichen.
Selenskyj machte sich den Vorschlag der USA nicht zu eigen, zeigte sich aber zumindest gesprächsbereit. Eine Delegation unter Leitung von Daniel Driscoll, einem Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium, hatte die Vorstellungen der US-Regierung bei Gesprächen in Kiew präsentiert. Selenskyj sagte danach in einer Videobotschaft: "Die amerikanische Seite hat Punkte eines Plans vorgestellt, um den Krieg zu beenden – ihre Sichtweise. Ich habe unsere Grundsätze vorgestellt."
Nun müsse an den einzelnen Punkten gearbeitet werden, sagte Selenskyj. Nach Angaben seines Büros will Selenskyj bald mit Trump telefonieren. Die Arbeit an den Vorschlägen werde auf technischer Ebene mit den US-Partnern fortgesetzt, hieß es.
Russland gab indes am Freitag an, noch nicht darüber informiert worden zu sein, dass die Ukraine zu Gesprächen auf Basis des US-Plans bereit sei. Das habe das Präsidialamt in Moskau erklärt, meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA. Russland begrüßt seit Langem, dass sich Trump für eine Beendigung des Krieges in der Ukraine einsetzt.
Die europäischen Unterstützer der Ukraine, die an Verhandlungen stets beteiligt werden wollen, wurden von dem US-Vorstoß eher überrascht. Die EU knüpft ihre Unterstützung für einen Friedensplan für die Ukraine an Bedingungen: Ein solcher Plan müsse einen dauerhaften und gerechten Frieden bringen und sowohl die Ukraine als auch die EU einbeziehen, sagte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in Brüssel. Wie ein Insider gegenüber Reuters sagte, wollen US-Vertreter Botschafter der EU in Kiew am Freitag über den Entwurf informieren.