In Istanbuler Hotel: Deutsche Familie starb wohl durch Pestizid
Nach dem Tod einer Hamburger Familie in Istanbul belastet ein vorläufiger Bericht der türkischen Gerichtsmedizin das Hotel, in dem die Deutschen übernachtet haben. Darin hieß es, dass der Tod der vierköpfigen Familie vorrangig durch eine chemische Vergiftung im Hotel verursacht worden sei, berichtete der Staatssender TRT unter Berufung auf das nicht abschließende Dokument. Todesfälle durch Mittel zur Bekämpfung von Ungeziefer sind in der Türkei keine Seltenheit.
Nachdem die Mutter und ihre zwei kleinen Kinder vergangene Woche in Istanbul gestorben waren, starb am Montagabend auch der Vater in einem Istanbuler Krankenhaus, wie Behörden mitteilten. Ermittler vermuteten anfangs eine Lebensmittelvergiftung. Sie gingen aber auch Hinweisen auf eine Vergiftung durch Chemikalien nach, die Berichten zufolge bei der Bekämpfung von Ungeziefer im Hotel der Familie verwendet worden waren. Proben der verwendeten Chemikalien sollen noch untersucht werden, berichtete TRT.
Vater, Mutter und die zwei kleinen Kinder waren vor mehr als einer Woche nach Istanbul gereist. Am Mittwoch war die Familie wegen Übelkeit und Erbrechens mit Verdacht auf Lebensmittelvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert und zwischenzeitlich entlassen worden. Nachdem sich der Zustand verschlechtert hatte, wurde die gesamte Familie in der Nacht erneut in ein Krankenhaus gebracht. Kurz darauf starben beide Kinder, am Freitag die Mutter, am Montag der Vater.
Das Hotel der Familie war in den Fokus geraten, nachdem zwei weitere Gäste wegen Übelkeit und Erbrechens behandelt werden mussten. Stunden vor Symptombeginn war die Familie laut Ermittlern und Medienberichten dem Pestizid Aluminiumphosphid ausgesetzt, das im Erdgeschoß des Hotels gegen Bettwanzen eingesetzt worden war. Das Pestizid könnte sich demnach entweder über das Belüftungssystem verbreitet haben oder in das Wasser in ihren Zimmern gelangt sein. Das Hotel wurde inzwischen evakuiert und versiegelt.
Noch vor dem Vorliegen des Zwischenberichts wurden elf Verdächtige festgenommen. Gegen vier von ihnen wurde der Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi zufolge am Montagabend Haftbefehl erlassen. Dabei handelte es sich um Verkäufer von Süßigkeiten, gefüllten Muscheln und einem Gericht aus Kalbsdärmen (Kokorec) sowie einen Besitzer eines Cafes. Diesen werde fahrlässige Tötung vorgeworfen. Die Familie hatte bei den Verdächtigen gegessen.
Zwar seien die Lebensmittel in zwei Fällen als verzehrbar eingestuft worden, die Proben seien aber erst wenige Tage, nachdem die Familie dort gegessen hatte, genommen worden, berichtete Anadolu unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft. Die Ergebnisse zu den Proben der anderen Verkäufer stünden ebenso wie das vollständige toxikologische Gutachten der Behörden noch aus.
Im Zuge des Todes der Familie erinnerten türkische Medien an den Todesfall einer jungen Hamburgerin, der rund ein Jahr zurückliegt, wie der "Spiegel" am Dienstag berichtete. Die 23-jährige Marlene P. sei als Erasmus-Studentin in Istanbul gewesen. Sie war am 3. November zusammengebrochen und wurde in einem Krankenhaus behandelt, ehe sie verstarb.
Auch hier lautete der Anfangsverdacht auf Lebensmittelvergiftung, der endgültige forensische Bericht besagte jedoch, dass eine Vergiftung durch Schädlingsbekämpfung mit Insektiziden die Todesursache gewesen sei. Zuvor wurde in dem Gebäude, in dem sich die 23-Jährige eine Wohnung mit zwei anderen Studierenden geteilt haben soll, eine "Bettwanzenbekämpfung" durchgeführt.
Auch die "Presse" berichtete diese Woche von früheren Todesfällen nach Pestizideinsätzen in der Türkei. In Ankara starben eine Mutter und ihre zehnjährige Tochter vor eineinhalb Jahren, als ein Nachbar einen Kammerjäger aus dem Internet bestellte und dann die Wohnung verließ, ohne die anderen Hausbewohner zu warnen. Die Staatsanwaltschaft stellte Aluminiumphosphidvergiftung als Todesursache fest. Der Kammerjäger hätte keine Zulassung für das eingesetzte Mittel gehabt.
Kurz nach dem Tod der deutschen Kinder wurde ein Mann im westtürkischen Eskisehir tot in seiner Wohnung gefunden, die er gerade mit einem Insektizid gegen Bettwanzen hatte aussprühen lassen. Seine Schwester starb am selben Tag im Krankenhaus, auch in ihrem Fall prüfen die Behörden eine Insektizidvergiftung.