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1,5-Grad-Grenze: „Wir sind gescheitert“

1,5-Grad-Grenze: „Wir sind gescheitert“

1,5-Grad-Grenze: "Wir sind gescheitert"

Zehn Jahre nach dem als historisch gefeierten Pariser Klimaabkommen ist die Staatengemeinschaft aus Sicht von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres daran gescheitert, die Erderwärmung unter dem wichtigen 1,5-Grad-Limit zu halten. "Die bittere Wahrheit ist, dass wir es nicht geschafft haben, unter 1,5 Grad zu bleiben", sagte Gutteres am Donnerstag zum Auftakt des Klimagipfels vor rund 50 Staats- und Regierungschefs im brasilianischen Belem, wo nächste Woche die Weltklimakonferenz (COP30) beginnt.

Guterres verwies auf wissenschaftliche Erkenntnisse, dass die 1,5-Grad-Grenze spätestens zu Beginn der 2030er-Jahre befristet überschritten wird – mit fatalen Folgen. Jedes Zehntelgrad bedeute mehr Hunger, mehr Vertreibung und mehr Verluste.

Der UNO-Chef rief die Spitzenpolitiker vor diesem Hintergrund zu einem radikalen Kurswechsel auf: Es dürften keine neuen Kohlekraftwerke und keine neuen Öl- und Gasprojekte mehr genehmigt werden. Die fossilen Brennstoffe sind die Hauptverursacher klimaschädlicher Treibhausgasemissionen.

Weiter forderte Guterres, bis 2030 die weltweite Entwaldung komplett zu stoppen, wie schon vor Jahren vereinbart. Doch zurzeit sei der Kampf gegen die Klimakrise unzureichend. "Das ist moralisches Versagen – und tödliche Fahrlässigkeit."

Hintergrund der düsteren Warnung ist, dass auf einem stark aufgeheizten Planeten Naturkatastrophen heftiger und häufiger werden, etwa Dürren, Stürme, Überschwemmungen und Waldbrände. Die Weltgemeinschaft hatte in Paris 2015 eigentlich vereinbart, die Erderwärmung möglichst bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen, um das Schlimmste abzuwenden. Laut Vereinten Nationen steuere die Welt mit der aktuellen weltweiten Klimapolitik auf 2,8 Grad Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts zu.

Guterres machte aber auch Hoffnung und sagte, die Erderwärmung könne wieder unter 1,5 Grad sinken, wenn alle Staaten jetzt schnell und entschlossen handeln. Eine "Revolution" hin zu sauberer Energie habe begonnen. "Solar- und Windenergie sind heute die günstigsten Energiequellen." Er betonte, die 1,5-Grad-Grenze sei "eine rote Linie für die Menschheit", die weiterhin entscheidend für einen lebenswerten Planeten sei. "Sie muss in Reichweite bleiben."

Dennoch flössen enorme staatliche Subventionen, also Steuergelder, in die Öl-, Gas- und Kohleindustrie, rügte Guterres. "Milliarden werden für Lobbyarbeit ausgegeben, die Öffentlichkeit getäuscht und Fortschritt blockiert."

Mit deutlichen Worten drängte auch Brasiliens Präsident und Gipfelgastgeber Luiz Inacio Lula da Silva die in Belem versammelten Staats- und Regierungschefs zum Handeln auf. Das "Zeitfenster zum Handeln" gegen die globale Klimaerwärmung schließe sich "rasch", warnte Lula in seiner Eröffnungsrede.

Auch würden Lügen "extremistischer Kräfte" und "Falschmeldungen" hinsichtlich des Klimawandels die Zerstörung der Umwelt begünstigen, so Lula, der gleichzeitig dazu aufrief, die Pariser Ziele nicht aufzugeben.

US-Präsident Donald Trump, der nicht an dem Gipfel in Belem teilnimmt, hatte im September in einer Rede vor der UNO-Vollversammlung in New York den menschengemachten Klimawandel erneut bestritten. Nach der Rückkehr Trumps ins Weiße Haus im Jänner waren die USA – wie schon während seiner ersten Amtszeit – aus dem globalen Pariser Klimaschutzabkommen ausgestiegen.

"Die COP30 wird die COP der Wahrheit sein", sagte Lula. Es sei das erste Mal, dass ein Klimagipfel im Amazonas-Gebiete stattfinde – und es gebe "kein größeres Symbol für die Sache der Umwelt als den Amazonas-Regenwald" mit seinen Tausenden Arten und Pflanzen.

Die Staatengemeinschaft rief er zu mehr "Mut und Entschlossenheit" im Kampf gegen die Erderwärmung auf. "Es ist an der Zeit, die Warnungen der Wissenschaft ernst zu nehmen." Die Klimakrise könne nur mit globaler Gerechtigkeit gelöst werden. Mit der COP30 im Amazonas-Gebiet betont Brasilien die Bedeutung, wirtschaftliche Entwicklung und Umweltschutz miteinander in Einklang zu bringen. Die Bewohner und Bewohnerinnen Amazoniens fragen sich nach den Worten von Lula "nun zu Recht, was der Rest der Welt tut, um den Kollaps ihres Hauses zu verhindern".

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