Sudan: IStGH ermittelt nach Gräuel in al-Faschir
Nach den jüngsten Berichten über Gewaltverbrechen in der sudanesischen Stadt al-Faschir haben die Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) Ermittlungen angekündigt. Man zeige sich zutiefst beunruhigt, hieß es am Montag. Unterdessen spitzt sich die Lage im Land zu. Aus Angst vor weiteren Kämpfen begaben sich Zehntausende aus dem Zentrum des Landes auf die Flucht. Auch gebe es Beweise für eine Hungersnot in Teilen des Sudan.
Angehörige der Miliz RSF (Rapid Support Forces) hatten vergangene Woche die Stadt al-Faschir im Norden von Darfur überrannt und sollen nun mit großer Gewalt gegen die Bevölkerung vorgehen. Den Milizmitgliedern werden Massenmorde und Vergewaltigungen vorgeworfen. Solche Gräueltaten sind nach Angaben der Anklage "Teil einer umfassenderen Gewaltwelle seit April 2023 in der gesamten Region Darfur."
Die Anklage in Den Haag ermittelt bereits zu möglichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur. Im Rahmen der laufenden Ermittlungen ruft sie Personen und Organisationen in der Region auf, Informationen und mögliche Beweise zu sammeln und der Anklage zu übergeben. Sollten sich die Berichte bestätigen, könnten diese Handlungen "Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Römischen Statuts darstellen".
Erst kürzlich hatte das Weltstrafgericht einen sudanesischen Milizenchef der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig befunden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass es sich bei Ali Mohammed Ali Abd-al-Rahman um einen ranghohen Kommandeur der berüchtigten Dschandschawid-Milizen handelte, aus denen später die RSF hervorging.
Den Milizen wird vorgeworfen, bei den Kämpfen gegen die sudanesische Regierung in den 2000er Jahren einen Völkermord begangen zu haben. Damals überfielen die Milizen Dörfer und töteten Hunderttausende Menschen.
Aus Angst vor den sich ausweitenden Kämpfen im Sudan haben sich unterdessen Zehntausende Menschen aus der im Zentrum des Landes gelegenen Region Kordofan auf die Flucht begeben. Nach jüngsten Angaben der UNO flohen zwischen dem 26. und dem 31. Oktober aus fünf Ortschaften der Region mehr als 36.800 Zivilistinnen und Zivilisten.
Ansässige Bewohnerinnen und Bewohner berichteten am Montag davon, dass sowohl die paramilitärische RSF-Miliz als auch die Regierungsarmee ihre Einheiten in der Region verstärkten. Kordofan, das in einen Nord-, Süd- und Westteil gegliedert ist, ist reich an Ressourcen und strategisch wichtig zwischen der westlichen Region Darfur und der Hauptstadt Khartum gelegen.
Nach dem Rückzug der Regierungsarmee aus der seit dem 26. Oktober von der RSF kontrollierten Stadt al-Faschir sind nun die Kämpfe um die Hauptstadt von Nordkordofan, al-Obeid, und um ein wichtiges Logistikzentrum entbrannt.
Im Sudan kämpfen seit April 2023 die Armee von Militärherrscher Abdel Fattah al-Burhan und die Miliz Rapid Support Forces (RSF) seines früheren Stellvertreters Mohammed Hamdan Daglo gegeneinander. Mit der Einnahme von al-Faschir kontrolliert die RSF inzwischen alle fünf größeren Städte in Darfur.
Nach UNO-Angaben konnten 65.000 Menschen aus al-Faschir fliehen, Zehntausende weitere sind noch in der Stadt gefangen. Es gibt zahlreiche Augenzeugenberichte über Massenhinrichtungen, Vergewaltigungen und weitere Gräueltaten in der Stadt. Zuvor hatte die RSF die heftig umkämpfte Großstadt, in der einst rund 300.000 Menschen lebten, mehr als 500 Tage belagert.
Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres hat ein Expertengremium eine Hungersnot in Teilen des Sudan bestätigt. Die weltweit als Autorität für Ernährungssicherheit und Hungersnöten anerkannte Initiative IPC (Integrated Food Security Phase Classification) habe Beweise geliefert, dass die Situation in den Städten al-Faschir in der Region Darfur und Kadugli in der Region Südkordofan den Status einer Hungersnot erreicht habe, teilte die Hilfsorganisation Aktion gegen den Hunger am Montag mit.
Zudem bestehe die Gefahr einer Hungersnot in 20 weiteren Gebieten in Darfur und Kordofan. Mehr als 375.000 Menschen sind im Sudan von einer humanitären Katastrophe der höchsten Stufe betroffen, 21 Millionen sind von Hunger bedroht.
Die Lage in dem ostafrikanischen Land gilt als die größte humanitäre Krise der Welt. "Nur ein sofortiger Waffenstillstand und uneingeschränkter humanitärer Zugang können weiteres Leid verhindern und Leben retten", sagte Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger.
Ende Dezember 2024 hatte der IPC-Ausschuss bereits die Kriterien einer Hungersnot in mindestens fünf Gebieten des Landes nachgewiesen. Betroffen waren hauptsächlich Gebiete in Norddarfur. Eine Hungersnot ist die schlimmste Form der Hungerkrise. Sie bedeutet, dass bei mindestens einem Fünftel aller Haushalte extremer Nahrungsmangel herrscht und täglich mindestens zwei Erwachsene oder vier Kinder pro 10.000 Menschen an akuter Unterernährung sterben.