WM-Qualifikation: Kap Verde mit Anlauf zur Fußballsensation
Mit der ersten WM-Teilnahme hat Kap Verde ein Märchen geschrieben. Der afrikanische Inselstaat wird gemessen an der Einwohnerzahl (rund 500.000) der zweitkleinste Teilnehmer der WM-Historie sein, Island (350.000) hatte 2018 weniger Einwohner und Einwohnerinnen. "Das hat eine sehr große Bedeutung, viele setzen das mit unserer Unabhängigkeit gleich, die auch erst 50 Jahre her ist. Das ist riesig", sagte der kapverdische FAC-Spieler Flavio dos Santos im ORF-Interview. Für ihn kommt der Erfolg nicht überraschend, "es war ein Prozess".
2024 hatte man es beim Afrikacup schon ins Viertelfinale geschafft, zwei Jahre davor auch ins Achtelfinale. "Zudem waren wir schon einmal knapp an einer WM-Teilnahme dran. Der Prozess dauert schon länger, es sind viele Routiniers dabei", erklärte dos Santos, der bereits seit sechs Jahren beim österreichischen Zweitligisten in Floridsdorf kickt.
Der 29-jährige Stürmer hegt keine Träume von einer WM-Teilnahme. "Ich glaub, das geht sich leider nicht aus, die anderen spielen in besseren Ligen. Das wird schwierig." Ebenfalls schwierig werde die WM für Kap Verde an sich, aber Dabeisein ist schon einmal vieles. In der FIFA-Weltrangliste liegt man allerdings auf Rang 70, etwa fünf Ränge vor dem WM-erprobten Ghana und nur acht hinter Kamerun, das man in der Qualigruppe D nun sensationell hinter sich lassen konnte.
Das Team von Nationalcoach Pedro Leitao Brito – Spitzname Bubista – stellt weitgehend unbekannte Profis, die international in der zweiten oder dritten Reihe aktiv sind. "Viele sind schon in Europa geboren, Roberto Lopes etwa in Irland, er kann nicht einmal Portugiesisch", berichtete dos Santos über "Pico", der über die soziale Plattform Linkedin vom damaligen Teamchef entdeckt worden war. Ab 2012 suchte man spezifisch nach Spielern mit kapverdischen Wurzeln, über die Jahre wuchs die Mannschaft zusammen und schaffte nun den Coup.
Kap Verde liegt westlich vom afrikanischen Festland im Atlantik und war früher eine portugiesische Kolonie, dem Vernehmen nach leben mehr Menschen mit kapverdischen Wurzeln im Ausland als auf den Inseln selbst. Keiner der 27 Nationalspieler ist in der heimischen Liga engagiert, gut die Hälfte ist in einem anderen Land geboren. Hilfreich war freilich auch die Tatsache, dass die nächste WM erstmals mit 48 Teams ausgetragen wird, Kap Verde reichte damit der Gruppensieg, früher galt es noch, eine weitere Play-off-Hürde zu überstehen.
Die gibt es nun für die Gruppenzweiten, Dailon Livramento (48.), Willy Semedo (54.) und Stopira (90.+1) sorgten dafür, dass sich Kap Verde mit dem 3:0 gegen Nachzügler Eswatini (vormals Swasiland) nun direkt qualifiziert hat. Danach brachen im Estadio Nacional in Praia alle sprichwörtlichen Dämme, die Fans stürmten auf den Rasen zu ihren Helden. "Das Land hat auf diesen Moment gewartet", so dos Santos.
"Ab mittags war alles zu, die Menschen haben richtig gefeiert", berichtete er weiter. FIFA-Präsident Gianni Infantino stellte sich als Gratulant ein: "Ein historischer Moment. Eure Arbeit zur Förderung des Fußballs in den letzten Jahren war unglaublich, und das ist ein Moment, in dem eure Stars weltweit bekanntwerden und eine neue Generation von Fußballfans in ganz Kap Verde begeistern werden."
"Die Stimmung im Land und in der Diaspora, wo Tausende Kapverdier und Fans während der ersten Halbzeit litten, ist unbeschreiblich", schrieb die Zeitung "A Nacao" (Die Nation) in einem Onlinekommentar. "Der Stolz der Kapverden ist so groß wie nie zuvor. Die Menschen weinen vor Glück. Ein hart erkämpfter Traum, aber erreicht."
"Geschichte wurde geschrieben!", jubelte die Zeitung "Espresso das Ilhas" (Inselexpress) und schrieb von "einem der aufregendsten Momente der kapverdischen Sportgeschichte". Geduld und technische Qualität hätten sich im Stadion bei großer Hitze und vor begeistertem Publikum schließlich durchgesetzt. Kap Verde ist gemessen an der Einwohnerzahl nach Island (2018) der kleinste WM-Teilnehmer, Paraguay hatte 1930 eine Million Einwohnerinnen und Einwohner, Trinidad und Tobago 2006 1,3 und Nordirland 1958 1,4 Millionen.