Signa-Pleite: Benko erstmals vor Gericht
Am Dienstag startet der Prozessreigen nach der Milliardenpleite des über tausend Gesellschaften umfassenden Firmenkomplexes Signa. Am Landesgericht Innsbruck wird sich Signa-Gründer Rene Benko, seit zehn Monaten in U-Haft, zunächst wegen des Verdachts der betrügerischen Krida verantworten müssen. Die Verfahren sind ihres Umfangs wegen aufgeteilt. Es wird also bei Weitem nicht Benkos letzter Auftritt vor Gericht sein. Bereits jetzt drohen ihm ein bis zehn Jahre Haft.
Benkos Aufstieg zum Immobilienmagnaten war ebenso spektakulär wie sein anschließender Fall. Seit Jänner sitzt der 48-Jährige nach seiner Verhaftung in Innsbruck in der Justizanstalt Wien-Josefstadt in Untersuchungshaft. Die Justiz sieht bei ihm weiterhin Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr.
Am Dienstag und Mittwoch steht Benko in seiner Heimat Tirol erstmals nach der Megapleite seiner Signa vor Gericht. Vorige Woche war er von Wien in die Innsbrucker Justizanstalt überstellt worden. Es ist ein vergleichsweise kleines Verfahren, und die gegenständliche mutmaßliche Schadenssumme steht ebenso in keiner Relation zu jenen Summen, die der Kollaps des Signa-Firmengeflechts bereits verschlungen hat.
Am Landesgericht Innsbruck geht es um einen vermuteten Schaden von 660.000 Euro, Benko wird verdächtigt, Vermögenswerte vor seinen Gläubigern versteckt zu haben, und zwar, als die Pleitewelle und die Konkurseröffnung bereits absehbar gewesen seien.
Die Anklage legt Benko eine "Miet- und Betriebskostenvorauszahlung" in Höhe von etwas mehr als 360.000 Euro für die Anmietung eines Hauses zur Last. Dabei geht es um Benkos Villa auf der Innsbrucker Hungerburg, seiner zweiten größeren Bleibe in der Landeshauptstadt. Diese sei "wirtschaftlich und sachlich unvertretbar" gewesen, so die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).
Die Zahlungen sollen laut APA-Informationen nur knapp vor der Signa-Pleitewelle im Spätherbst und Winter 2023 getätigt worden sein, der weit überwiegende Teil im Oktober 2023, ein sehr kleiner im darauffolgenden November. Fast den gesamten Betrag soll Benko Anfang Oktober 2023 an die RB Immobilienverwaltungs GmbH & Co KG überwiesen haben, die als Eigentümerin der Villa firmiert.
Der zweite Fall dreht sich um eine Schenkung in Höhe von 300.000 Euro an Benkos Mutter Ende November 2023. Diese sei als "Rückführung eines Darlehens" bezeichnet worden, hieß es. Benko wies bisher stets jegliche Vorwürfe zurück, sowohl jene, die nun verhandelt werden, als auch alle anderen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Am ersten der beiden Verhandlungstage, es ist ein Schöffenprozess unter dem Vorsitz von Richterin Andrea Wegscheider, dürften die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung sowie die Befragung Benkos über die Bühne gehen. Insgesamt sind acht Zeugen geladen, sie sind am Mittwoch an der Reihe. Danach soll ein Urteil fallen.
Rund 70 Medienvertreterinnen und -vertreter sind akkreditiert, sie werden Benko wohl mit einem Blitzlichtgewitter in Empfang nehmen. Der Große Schwurgerichtssaal des Landesgerichts wird bis zum letzten Platz gefüllt sein. Es gibt daher auch verschärfte Sicherheitskontrollen und mehr polizeilichen Saalschutz.
Die WKStA führt Ermittlungen zu 14 voneinander getrennten Sachverhaltssträngen. Zu den Vorwürfen zählen neben betrügerischer Krida auch Untreue, schwerer Betrug, Gläubigerbegünstigung und Förderungsmissbrauch. Im Visier hat die Justiz mehr als ein Dutzend Beschuldigte sowie zwei Verbände.
Gegen Benko stehen bisher zwei Anklagen. Auch die zweite dreht sich um dasselbe Delikt. Benko soll Vermögenswerte beiseitegeschafft und damit die Erfüllung von Gläubigeransprüchen im Zuge seiner Insolvenz als Einzelunternehmer geschmälert haben.
Konkret dreht sich das Ganze um Bargeld in Höhe von 120.000 Euro sowie zusätzlich elf hochpreisige Uhren und Manschettenknöpfe, Uhrenarmbänder und andere Gegenstände im Gesamtwert von fast 250.000 Euro. Die Vermögenswerte sollen dabei in einem Tresor im Haus von Angehörigen Benkos verborgen gewesen sein. Der mutmaßliche Schaden beläuft sich insgesamt auf 370.000 Euro.
Diese Vorwürfe werden am Dienstag und Mittwoch aber höchstwahrscheinlich noch kein Thema sein, da sowohl Benko als auch eine Mitangeklagte Einspruch gegen die Anklage erhoben und die Stellungnahmefristen noch laufen.
Das intransparente Geflecht des Signa-Konzerns wurde nach dem Zusammenbruch Ende 2023 oft kritisiert. Es bestand aus über 1.000 ineinander verschachtelten Gesellschaften, Untergesellschaften und Einzelimmobilien. Allein in den ersten drei Quartalen dieses Jahres meldeten 99 dieser Signa-Gesellschaften Insolvenz an, insgesamt sind es derzeit 156, wie der Alpenländische Kreditorenverband (AKV) mitteilte.
In den Aufsichtsräten der Signa-Gesellschaften saßen unter anderen Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer, die Wüstenrot-Chefin und Ex-FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Hahn, der frühere Bank-Austria-Creditanstalt-Chef Karl Samstag und Ex-RBI-Chef Karl Sevelda.
Der Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, sah gegenüber der dpa bei der Milliardenpleite ein "Multi-Organ-Versagen" vieler, die Verantwortung hatten oder das Unternehmen kontrollieren sollten. Banken und Investoren seien nicht kritisch genug gewesen oder hätten das Geschäftsmodell billigend in Kauf genommen.
Die große Intransparenz der Verflechtungen erfordere eine Rekonstruktion der Vermögensverschiebungen und der Geldflüsse, man brauche "das große Bild", so Peschorn. Am Dienstag und Mittwoch dürften dazu zumindest einzelne Puzzleteile beitragen.