Mit landesweiten Streiks und Protesten protestieren in Frankreich zahlreiche Beschäftigte gegen die Sparpläne der Regierung. Lehrerinnen und Lehrer, Apothekerinnen und Apotheker sowie Bahn- und Krankenhauspersonal legten am Donnerstag die Arbeit nieder. Auch Schülerinnen und Schüler blockierten die Eingänge zu ihren Schulen.
An vielen Schulen entfielen Unterrichtsstunden, allein in Paris blieben 90 Volksschulen geschlossen. Etwa 45 Prozent der Lehrkräfte legten die Arbeit nieder, wie die Lehrergewerkschaft mitteilte. In Paris kam es zudem zu erheblichen Störungen im Nahverkehr, da zahlreiche U-Bahn-Linien in der Früh nur zu den Stoßzeiten fuhren. Auch der regionale Zugsverkehr war stark beeinträchtigt, etwa die Hälfte aller Regionalzüge fiel aus.
Im Großraum Paris wurden bis Mittag sieben Menschen festgenommen, wie es von der Polizei hieß. Französischen Medien zufolge gab es in anderen Landesteilen insgesamt bereits einige Dutzende Festnahmen.
Die Behörden hatten im Vorfeld mit bis zu 900.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gerechnet. Landesweit sind mehr als 250 Demonstrationen angemeldet. Der Pariser Polizeipräfekt rief Inhaber auf, ihre Geschäfte zu schließen. Die Regierung riet Beschäftigten, wenn möglich im Homeoffice zu bleiben. Innenminister Bruno Retailleau kündigte den Einsatz von rund 80.000 Polizisten an.
Auslöser der Proteste, zu denen die Gewerkschaften aufgerufen hatten, waren die Sparpläne des inzwischen gestürzten Premierministers Francois Bayrou. Sein Nachfolger Sebastien Lecornu, der noch keine neue Regierung ernannt hat, berät derzeit mit Vertretern der Parteien, um einen Budgetkompromiss für das hoch verschuldete Land zu finden. Einer geplanten Streichung von Feiertagen hat er bereits eine Absage erteilt.
Die Gewerkschaften fordern unter anderem mehr Ausgaben für den öffentlichen Dienst, höhere Steuern für Vermögende und eine Abkehr von der umstrittenen Pensionsreform. „Die von uns vertretenen Arbeiter sind wütend“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der großen Gewerkschaften.
Die Apothekergewerkschaft USPO erklärte, 98 Prozent der Apotheken dürften für den Tag schließen. „Wir werden so lange mobilisieren, bis es eine angemessene Antwort gibt“, sagte die Chefin des Allgemeinen Gewerkschaftsverbunds (CGT), Sophie Binet, nach einem Treffen mit Lecornu Anfang der Woche.
Lecornu war am Mittwoch mit Vertretern der linksgrünen und der rechtspopulistischen Opposition zusammengetroffen. Bisher zeichnet sich kein Kompromiss ab. Mit der Vorstellung einer neuen Regierung wird nicht vor Ende kommender Woche gerechnet.
Bereits am 10. September hatte es in Frankreich landesweit zahlreiche Protestaktionen gegeben. Diese waren jedoch nicht von den Gewerkschaften ausgegangen, sondern basierten auf einem Blockadeaufruf, der sich in Onlinediensten verbreitet hatte.
Die neuen Proteste treffen Lecornu und Präsident Emmanuel Macron in einer politischen Krise. Das Budgetdefizit des Landes ist fast doppelt so hoch wie die EU-Obergrenze von drei Prozent. Der Schuldenberg hat sich inzwischen auf 114 Prozent der Wirtschaftsleistung aufgetürmt.
Die US-Ratingagentur Fitch bewertet die Kreditwürdigkeit Frankreichs wegen der politischen Krise und steigender Schulden so schlecht wie nie zuvor. Sie hatte ihre Bonitätsnote für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone kürzlich auf „A+“ von zuvor „AA-“ gesenkt.
Lecornu, ein enger Vertrauter des Präsidenten, wurde vergangene Woche zu Macrons fünftem Regierungschef in weniger als zwei Jahren ernannt. Zuvor hatte das Parlament Bayrou das Vertrauen entzogen, er war mit seinem Plan für Einsparungen in Höhe von 44 Milliarden Euro gescheitert.
Macron hatte nach den Verlusten seiner Allianz bei der Europawahl im Juni 2024 das Parlament aufgelöst. Doch die vorgezogene Neuwahl hatte entgegen seinen Erwartungen zu einer noch tieferen Spaltung der Nationalversammlung geführt und die politische Krise Frankreichs verschärft.