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Ukraine: Zwei Rücktritte in Korruptionsskandal

Ukraine: Zwei Rücktritte in Korruptionsskandal

Ukraine: Zwei Rücktritte in Korruptionsskandal

Der Korruptionsskandal um den ukrainischen Atomenergiekonzern zieht weitere Kreise: Am Mittwoch hat es gleich zwei Ministerrücktritte gegeben. Die ukrainische Energieministerin Switlana Hryntschuk gab im Zuge von Korruptionsermittlungen in ihrem Sektor ihren Rücktritt bekannt, wenig später trat auch der frühere Energie- und heutige Justizminister Herman Haluschtschenko zurück. Beide wurden zuvor von Präsident Wolodymyr Selenskyj zu diesem Schritt aufgefordert. Der Skandal ist in der bisherigen Amtszeit Selenskyjs beispiellos.

In ihrer in Onlinediensten verbreiteten Rücktrittserklärung betonte Hryntschuk, sie habe nicht gegen das Gesetz verstoßen. Kurz darauf reichte auch Haluschtschenko seinen Rücktritt ein, wie Regierungschefin Julia Swyrydenko mitteilte. Haluschtschenko wurde zuvor bereits suspendiert.

Hryntschuk hatte ihr Amt erst im Juli im Zuge einer Regierungsumbildung in Kiew von Haluschtschenko übernommen. Selenskyj unterstütze die Antikorruptionsbehörden bei ihren Ermittlungen, sagte er in seiner Videoansprache. Es sei "absolut nicht normal", dass es im Energiesektor immer noch "irgendwelche Machenschaften" gebe. Die Suspendierung Haluschtschenkos habe die Regierung in einer außerordentlichen Sitzung beschlossen.

Swyrydenko hatte am Dienstag erklärt, dass Haluschtschenkos Stimme auf einer von der Ermittlungsbehörde veröffentlichten Aufnahme eines Gesprächs mit Verdächtigen zu hören sei. Außerdem habe es tags zuvor eine Hausdurchsuchung bei Haluschtschenko gegeben. Er war seit Juli im Amt, davor war er über mehrere Jahre Energieminister.

Als Reaktion auf die Suspendierung, also noch vor dem endgültigen Rücktritt, zeigte er sich einverstanden mit der Maßnahme. Er halte eine Entfernung für die Dauer von Ermittlungen für eine zivilisierte und richtige Vorgehensweise, schrieb er.

Außerdem kündigte er an, sich rechtlich verteidigen und seine Position darlegen zu wollen. Das Justizministerium halte sich konsequent "an den Grundsatz von null Toleranz gegenüber Korruption", hieß es in einer Mitteilung.

Das Nationale Antikorruptionsbüro und die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP) der Ukraine hatten zuvor Ermittlungen bei dem Konzern Enerhoatom bekanntgemacht. Es geht um Bestechungsgeld, das beim Bau von Schutzvorrichtungen um Energieanlagen gegen russische Luftangriffe geflossen sein soll. Am Dienstag sprach das Antikorruptionsbüro von fünf Festnahmen und sieben Verdachtsfällen. Die Gruppe soll etwa 100 Millionen US-Dollar (rund 86 Millionen Euro) an Schmiergeld gewaschen haben. Die Regierung hat bereits den Aufsichtsrat von Enerhoatom entlassen.

Von den Ermittlungen sind mehrere ehemalige und amtierende Regierungsmitglieder betroffen, darunter auch der Ex-Vizeregierungschef Olexij Tschernyschow, der als enger Vertrauter Selenskyjs gilt. Im Fokus steht vor allem Selenskyjs langjähriger Wegbegleiter Tymur Minditsch. Er habe nicht nur Einfluss auf Haluschtschenko ausgeübt, sondern auch auf Ex-Verteidigungsminister Rustem Umjerow, wie Staatsanwalt Serhij Sawyzkyj Medienberichten zufolge sagte. Umjerow räumte in einer Stellungnahme zwar Kontakte zu Minditsch ein, wies aber Korruptionsvorwürfe strikt zurück.

Minditsch ist ein Vertrauter und Geschäftspartner von Präsident Selenskyj aus dessen Zeiten als Schauspieler. Der Hauptverdächtige habe Einfluss auf staatliche Entscheidungen "im Energie- und im Rüstungsbereich" genommen, hieß es. Minditsch soll die Ukraine verlassen haben. Selenskyj forderte, dass Schuldige ohne Ansehen der Person verurteilt werden sollten.

Die Vorwürfe sind besonders heikel, da die Bevölkerung wegen russischer Angriffe auf die Energieinfrastruktur vor einem Winter mit Stromausfällen steht. Enerhoatom sprach von einem "Vorfall", der keinen Einfluss auf die finanzielle Stabilität des Unternehmens, die Stromproduktion und die Sicherheit der ukrainischen Kernkraftwerke habe.

Der Fall schlägt in der Ukraine hohe Wellen und rückt den Kampf gegen die Korruption in den Fokus. Im Sommer hatten Versuche der Regierung, die Unabhängigkeit von Antikorruptionsbehörden zu beschneiden, über die Ukraine hinaus scharfe Kritik ausgelöst. Der Kampf gegen die weit verbreitete Korruption gilt auch als zentral für den von der Ukraine angestrebten Beitritt zur EU und die Sicherung milliardenschwerer Hilfsgelder westlicher Verbündeter.

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