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Bischof bei COP30: Kirche kämpft gegen Großkonzerne

Bischof bei COP30: Kirche kämpft gegen Großkonzerne

Bischof bei COP30: Kirche kämpft gegen Großkonzerne

Der brasilianisch-österreichische Bischof Erwin Kräutler hat zur Weltklimakonferenz COP30 die schwierige, aber konsequente Präsenz der Kirche in Amazonien hervorgehoben. Sie habe immer gegen die Machenschaften der Großkonzerne und für die indigene Bevölkerung gekämpft.

"Amazonien wurde immer von den Bischöfen und von den Ordensleuten verteidigt gegen die Machenschaften großer Konzerne oder die Machenschaften, die mit den Indios Schluss machen wollten", sagte der emeritierte Bischof von Xingu am Rande der Konferenz in Belem dem Sender Radio Vatikan am Dienstag.

Die Kirche sei in Amazonien immer gegenwärtig gewesen, "wenn auch mit großen Schwierigkeiten", so der aus Vorarlberg stammende Bischof, der eine der bekanntesten Stimmen im Einsatz für die Menschenrechte der indigenen Bevölkerung und den Erhalt des Amazonas-Regenwaldes ist.

Der heute 86-jährige Kräutler war von 1981 bis 2015 Bischof von Altamira-Xingu, der mit 350.000 Quadratkilometern damals flächenmäßig größten Diözese Brasiliens und lebt bis heute dort. Im Gespräch mit Radio Vatikan/Vatican News erinnerte er sich an eine Episode während eines Besuchs in Berlin, wo ihm zwei Gesprächspartner geraten hätten, sich nur für die Armen einzusetzen und nicht über die Indios zu sprechen, da diese in 20 Jahren ohnehin verschwunden sein würden, weil sie auf Gebieten leben, die reich an Bodenschätzen sind. Ein Rat, den Kräutler nicht befolgte.

Jahrzehntelang war er Präsident des Indigenenmissionsrates CIMI der Brasilianischen Bischofskonferenz, machte sich für die Verankerung der Rechte der Indigenen stark, trat gegen die Öffnung indigener Reservate für die wirtschaftliche Nutzung durch multinationale Konzerne ein und stand an vorderster Front der Proteste gegen den Bau des Amazonas-Kraftwerks Belo Monte. In Regionen in ganz Amazonien plünderten Holzhändler alle Edelhölzer "bis kein einziger Baum mehr stand", machte er auch im aktuellen Interview mit den Vatikanmedien aufmerksam.

In seiner brasilianischen Wahlheimat lebt der Bischof seit Jahren unter ständigem Polizeischutz. Ende der 1980er Jahre überlebte er knapp einen Mordanschlag, zwischenzeitlich wurde sogar ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. "Ich selbst bin jahrelang von Polizisten begleitet worden, weil ich mich lautstark für das Überleben der indigenen Völker und für das Makrobiom eingesetzt habe", so Kräutler, der 2010 dafür mit dem Alternativen Nobelpreis (Right Livelihood Award) ausgezeichnet wurde. Dieser Einsatz sei eine Aufgabe, die er fortführen werde, solange er lebe.

Menschen, die für den Schutz des Amazonas ihr Leben aufs Spiel setzen, will die Erzdiözese Belem ehren, indem sie am Rande der Weltklimakonferenz am Mittwoch eine "Caminhada dos Martires da Casa Comum" organisiert, eine Gedenkprozession für alle jene, die wegen ihres Einsatzes für das "Gemeinsame Haus" Märtyrer wurden.

Damit wolle man zeigen, dass es sich nicht um Protest handele, sondern um ein Zeugnis "und dass ihr Opfer nicht umsonst war", sagte Belems Erzbischof Julio Endi Akamine laut dem Online-Portal domradio.de. Auch wenn die vielen Opfer nicht offiziell vom Vatikan anerkannt seien, ist er überzeugt: "Diese Menschen sind Zeugen und Vorbilder für Engagement, Nächstenliebe und den Glauben an Gott: Deshalb sprechen wir von Märtyrern."

Zahlreiche indigene Aktivisten und ihre Unterstützer sind am Dienstagabend auf das hochgesicherte Gelände der Weltklimakonferenz im brasilianischen Belem eingedrungen. Videos südamerikanischer Medien zeigen, wie sie gewaltsam eine Tür aufbrachen und sich ein Gerangel mit Sicherheitskräften lieferten. Auf Instagram-Videos mehrerer Aktivisten war zu sehen, wie eine große Menschentraube von Demonstranten auf den Fluren des Konferenzzentrums Fahnen schwenkte und protestierte.

BBC-Reporter beobachteten nach eigenen Angaben, wie UNO-Sicherheitspersonal noch anwesenden Delegierten zurief, sie sollten das Gelände verlassen. Eine lokale Journalistin, die das Geschehen auf dem Gelände verfolgte und aus Sicherheitsgründen anonym bleiben will, sagte einer Reporterin vor Ort, eine solche Eskalation habe sich schon lange angekündigt. In Brasilien würden immer wieder Umweltschützer getötet, "es gibt diesen Schmerz schon seit langer Zeit". Mit dem Eindringen hätten die Indigenen ein Zeichen setzen wollen.

Auf dem Klimagipfel im Amazonasgebiet sind auch Tausende Vertreter indigener Gemeinschaften vertreten. Sie setzen sich gegen die Zerstörung ihrer angestammten Heimat ein, etwa durch die Abholzung des Regenwalds. Zuvor hatte es einen Marsch durch die Stadt zu den gesundheitlichen Gefahren des Klimawandels mit rund 3.000 Teilnehmenden gegeben.

Deren Organisatoren grenzten sich ausdrücklich von den gewaltsamen Szenen nach Ende ihrer Demo ab. "Die Handlungen, die nach dem Marsch stattfanden, gehören nicht zur Organisation des Ereignisses", erklärte die beteiligte Organisation 350.org. Dem brasilianischen Nachrichtenportal "G1" zufolge sollen zwei Wachleute verletzt worden sein, auf einem Video ist zu sehen, wie ein Wachmann an der Stirn blutet.

In den sozialen Medien war auf Videos zudem zu sehen, wie Sicherheitskräfte von innen mit Tischen das Gelände verbarrikadierten – das Eindringen konnten sie jedoch nicht verhindern. Als die Sicherheitskräfte die Lage schließlich wieder im Griff hatten, wurde das Gelände vollständig evakuiert und abgeriegelt. Etliche Reinigungskräfte saßen am Abend draußen vor den Toren. Normalerweise ist die bewachte Zeltstadt, vor deren Zufahrt sogar ein großer Panzer aufgebaut ist, auch über Nacht geöffnet, da sich die Verhandlungen teils in die Länge ziehen und Journalisten aus allen Zeitzonen aus dem Pressezentrum berichten.

Am späten Dienstagabend hatte sich die Lage wieder beruhigt. Die Zugänge zum COP-Gelände blieben verschlossen, davor bauten sich maskierte Soldaten und andere Sicherheitskräfte auf. Mehrere Polizeiwagen standen mit Blaulicht vor den Toren. Auf dem Gelände selbst liegt die Sicherheitsverantwortung bei der UNO-Polizei.

Für den Gastgeber Brasilien und die Vereinten Nationen stellen sich mit dem Zwischenfall wenige Tage, bevor aus aller Welt Ministerinnen und Minister für die finale Phase der Verhandlungen anreisen, unangenehme Fragen: Wie konnten die Aktivisten eindringen? Weshalb hatten sie überhaupt das Gefühl, sich auf diesem Wege Gehör verschaffen zu müssen? Dies dürfte die Konferenz weiter beschäftigen.

Die Konferenzleitung teilte am späten Abend mit, der Haupteingang werde nach den Ereignissen repariert und ab 7.00 Uhr Früh (Ortszeit, 11.00 Uhr MEZ) am Mittwoch wieder geöffnet.

Erstmals seit Jahren findet die UNO-Klimakonferenz wieder in einem demokratischen Rechtsstaat statt, und nicht wie zuletzt in autoritär regierten Ländern wie Aserbaidschan, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten. Deren repressive Sicherheitsbehörden hatten Demonstrationen und Kundgebungen von Klimaaktivisten rigoros untersagt und nur auf dem abgeschotteten COP-Gelände selbst geduldet.

Das ist nun in Brasilien anders: Proteste sind auch im Stadtgebiet möglich. Auch zur Halbzeit der Konferenz am Wochenende sind Proteste geplant, flankiert von weiteren "Klimastreiks" rund um den Globus.

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