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Wenn die Gewalt zu Weihnachten eskaliert

Wenn die Gewalt zu Weihnachten eskaliert

Wenn die Gewalt zu Weihnachten eskaliert

Weihnachten ist das Fest der Liebe, doch nicht in allen Familien trifft das zu. Gerade die Feiertage sind für Frauen besonders gefährlich, oft kommt es zu Eskalationen und Gewaltausbrüchen. Frauenhäuser bieten Schutz und Zuflucht.

Jede dritte Frau ist mindestens einmal im Leben Opfer von Gewalt, wie eine Studie von Statistik Austria aus dem Jahr 2022 zeigt. Und es seien oft alte Rollenbilder, also jene, in denen Frauen Männern untergeordnet sind, die den Nährboden für Gewalt bilden, weiß Olinda Albertoni, Leiterin vom Haus der Frau St. Pölten.

"Es sind immer die patriarchalen Strukturen, die die Grundlage für Gewalt sind. Dort, wo Beziehungen nicht gleichwertig gelebt werden, wo Druck auf die Frauen ausgeübt wird, wo Männer denken, sie müssen Frauen besitzen. Das ist eigentlich grundlegend die Situation, die wir in anderen Gesellschaften, aber auch in unserer Gesellschaft sehen."

Diese patriarchalen Muster seien meist gepaart mit fundamentalen religiösen Ansichten. Es gebe sie in der muslimischen genauso wie in der christlichen Gesellschaft, heißt es. Und wenn dann Gewalt dazu kommt, dann seien in der Regel Frauen und Kinder betroffen.

"Viele Frauen erkennen den Beginn der Gewalt oft nicht. Es sind manchmal Kleinigkeiten, wo es darum geht, dass Männer die Frauen massiv beschimpfen oder erniedrigen und ihnen immer wieder sagen, dass sie nichts können", schildert Albertoni. Und darauf baue die Gewalt auf, danach komme es zu Drohungen und erster physischer Gewalt, erklärt sie. Frauen, die von Gewalt bedroht sind, sollten nicht zögern, raten Expertinnen. Der Weg ins Frauenhaus sei unkompliziert.

"Einfach anrufen, sich melden und erzählen und, wenn es geht, noch ein bisschen vorbereiten. Aber wenn die Situation schon eskaliert ist, wenn es schon zu Gewalt gekommen ist, bitte unbedingt die Polizei rufen. Die Polizei bringt die Frau dann sicher ins Frauenhaus", so Albertoni.

Auch Kinder dürfen mitkommen. Das Frauenhaus empfiehlt, die wichtigsten Sachen einzupacken, das sind zum Beispiel der Reisepass, die Bankomatkarte, aber auch Dokumente sowie Schulsachen und ein Kuscheltier für die Kinder.

Frauen, die im Frauenhaus Schutz finden, müssten zuerst ihre physische und psychische Gesundheit zurückerlangen. Dann gehe es darum, unabhängig zu werden, erklärt Albertoni. "Wir sehen das als besonders wichtige Aufgabe, Frauen in die finanzielle Eigenständigkeit zu begleiten. Denn es ist wirklich ganz wichtig, ein eigenes Konto zu haben, dann zum Beispiel auch einen guten Arbeitsplatz zu haben oder eigenes Geld, damit es möglich wird, letztendlich unabhängig leben zu können."

Frauen, die im Frauenhaus leben, könnten hier zum Beispiel im Homeoffice arbeiten, andere würden fürs Studium lernen. Ein Mädchen habe hier für die Matura gelernt, erzählen die Mitarbeiterinnen, die ihre Klientinnen auch zum AMS begleiten oder ihnen, helfen Bewerbungsschreiben zu formulieren.

Und auch beim Abbauen von Schulden wird geholfen, so Albertoni: "Es ist auch immer wichtig Frauen zu begleiten, die Schulden mitbringen. Da gibt es die Begleitung zur Schuldnerberatung. Es ist einfach so wichtig, dass diese finanzielle Unabhängigkeit gegeben ist, damit eine Frau den Weg in die Selbständigkeit gut schafft".

Doch Frauen, die den Weg aus der Gewaltspirale geschafft haben, würden oft keine Anzeige machen wollen. Damit bleiben Gewalttaten "unsichtbar", sie fehlen also in der Statistik.

"Viele Frauen möchten einfach nur aus dieser Gewaltsituation herauskommen. Sie möchten flüchten, sie möchten dem Gewalttäter mitunter auch nicht schaden und das ist ein großes Problem, weil es eigentlich schon wichtig ist, dort wo es strafrechtliche Delikte gegeben hat, aufzuzeigen, dass das verboten ist und in keinster Weise von unserer Gesellschaft akzeptiert wird", sagt die Leiterin vom Haus der Frau St. Pölten.

Es seien aber oft auch die mangelnde Sensibilität bei Gerichtsterminen und – nicht selten – die viel zu milden Urteile bei Gewaltdelikten, die Frauen davor abschrecken würden, den häufig mühsamen und langwierigen Behördenweg zu gehen, sagen Expertinnen.

Drei bis sechs Monate lang können Frauen im Haus der Frau St. Pölten bleiben, wenn es nötig ist auch länger. Frauenhäuser gibt es in Niederösterreich unter anderem auch in Amstetten, Mistelbach, Neunkirchen und Wiener Neustadt. Einige Klientinnen kehren zu den Gewalttätern zurück. Doch der Großteil der Frauen schafft den Weg aus der Gewaltbeziehung, hinein in ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben.

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