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Dauerhafte Winterzeit wäre gesünder

Dauerhafte Winterzeit wäre gesünder

Dauerhafte Winterzeit wäre gesünder

Eine Studie der Universität Stanford hat anhand von US-Gesundheitsdaten und Lichtmodellen ermittelt, dass eine Abschaffung der Zeitumstellung das Risiko für Adipositas und für Schlaganfälle senken würde. Die Forschenden empfehlen die ganzjährige Beibehaltung der Winterzeit.

In der im September im Wissenschaftsjournal "PNAS" erschienenen Studie konnte ein Team rund um die Bioingeneurin Lara Weed von der Universität Stanford einen Zusammenhang zwischen der Zeitumstellung und dem Vorkommen von Adipositas und Schlaganfällen feststellen.

Die Zahl der Adipositas-Erkrankungen würde sich den Berechnungen zufolge um 0,8 Prozent verringern, jene der Schlaganfälle um 0,1 Prozent, wenn die Zeitumstellung zugunsten einer dauerhaften Winterzeit abgeschafft wird. Würde statt der Winterzeit dauerhaft die Sommerzeit eingeführt, zeige sich der Effekt in etwas geringerem Ausmaß.

Das Forschungsteam hatte sich ebenfalls Auswirkungen auf andere Krankheiten, wie Krebs, Arthritis, kardiologische und Lungen-Erkrankungen, sowie Depression und Diabetes geprüft. Hier konnte allerdings keiner oder nur ein kleiner, nicht signifikanter Zusammenhang mit einer Veränderung des Zeitregimes festgestellt werden.

Dass gerade Adipositas und Schlaganfälle bei einer Abschaffung der Zeitumstellung zurückgehen würden, hänge mit der inneren Uhr des Körpers zusammen, erklärt die am Institute of Science and Technology (ISTA) in Klosterneuburg forschende Chronobiologin Alicia Michael. "Jeder Mensch hat eine innere Uhr, die die Zeit ungefähr im 24-Stundenrhythmus misst", so Michael, die nicht an der Studie beteiligt war.

Die innere Uhr reagiert auf das Sonnenlicht, über die Netzhaut des Auges synchronisiert sich die körpereigene Zeitmessung mit der Umgebung, wie die Forscherin ausführt: "Das Gehirn schickt dann eine Information an alle Zellen, wofür es gerade Zeit ist."

Für den Körper habe das den Vorteil, dass er sich auf wiederkehrende Ereignisse wie die Nahrungsaufnahme oder das Aufstehen besser vorbereiten kann. Denn die innere Uhr steure etwa das Hungergefühl, damit die notwendigen Enzyme im Verdauungstrakt im richtigen Moment zur Verfügung stehen.

"Wenn sich der Rhythmus verschiebt und auf einmal unerwartet Nahrung aufgenommen wird, dann weiß der Körper nicht damit umzugehen", erklärt Michael. Das könne den von den Stanford-Forscherinnen beobachteten Zusammenhang zwischen der Zeitumstellung und dem Vorkommen von Adipositas erklären.

Auch der Blutdruck wird durch die innere Uhr gesteuert. Üblicherweise ist der Blutdruck am Morgen höher, damit der Körper aktiv in den Tag starten kann. Kommt die innere Uhr aus dem Takt, könne das den Blutdruck durcheinander bringen und so das Schlaganfallrisiko erhöhen, interpretiert Michael die Beobachtungen der Studie.

"Eine Zeitverschiebung – selbst um nur eine Stunde – kann große Auswirkungen haben, weil alles in unserem Körper so präzise durchgetaktet ist", sagt die Biorhythmusexpertin. Die Zeitumstellung widerspreche ganz grundsätzlich den natürlichen Bedürfnissen des Körpers.

Zwar gibt es für Europa keine vergleichbare Studie, doch Michael nimmt an, dass die Ergebnisse nicht anders ausfallen würden. Sie kommt, genauso wie die Autorinnen und Autoren der Stanford-Studie zu dem Schluss, dass eine Abschaffung der Zeitumstellung aus medizinischen Gründen ratsam wäre. Die ganzjährige Winterzeit sei gegenüber einer ganzjährigen Sommerzeit zu bevorzugen, weil dann die natürlichen Lichtgegebenheiten am besten mit der vorgegebenen Uhrzeit übereinstimmen.

Auf europäischer Ebene wird ein Ende der Zeitumstellung bereits seit Jahren diskutiert. Konkret plante die Europäische Union dies ab 2018, die EU-Kommission legte einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. Das Europäische Parlament stimmte sogar zu, verschob aber das für 2019 geplante Ende der Zeitumstellung auf 2021. Doch die Mitgliedsstaaten zogen nicht mit und legten die Pläne auf Eis.

Das Kernproblem der EU-Diskussion ist eine Uneinigkeit, welche Zeit sich überhaupt durchsetzen soll – die Winterzeit oder die Sommerzeit. Ein Flickenteppich mit mehreren Zeitzonen soll vermieden werden, manche EU-Staaten sind grundsätzlich gegen das Ende der Zeitumstellung.

Neuen Wind erhielt die Debatte vor wenigen Tagen durch einen Vorstoß des Spanien Premierministers Pedro Sanchez, der sich für ein Ende des Uhrendrehens aussprach. "Offen gesagt sehe ich darin keinen Sinn mehr", sagte der Regierungschef. Sanchez kündigte an, sich für Ende im kommenden Jahr stark zu machen.

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