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Senioren erbost: Viel Lob, einige Kritik an Pensionserhöhung

Senioren erbost: Viel Lob, einige Kritik an Pensionserhöhung

Die Regierungseinigung auf eine Staffelung der Pensionserhöhung ist mehrheitlich auf Zustimmung gestoßen. Ausnahme sind wie angekündigt die betroffenen Pensionistinnen und Pensionisten selbst. Auch die FPÖ sparte nicht mit Kritik. 2026 gibt es für Pensionen bis 2.500 Euro brutto die volle Inflationsabgeltung von 2,7 Prozent, Pensionen darüber erhalten einen Fixbetrag von 67,50 Euro.

Bereits in den vergangenen Tagen und im Vorfeld der Präsentation am Freitag kam von den Pensionistenvertreterinnen des SPÖ-nahen Pensionistenverbands, Birgit Gerstorfer, und des ÖVP-Seniorenbunds, Ingrid Korosec, Kritik. Am Freitag distanzierten sie sich von der Einigung der Regierungsparteien.

Gerstorfer hatte am Donnerstag gesagt, man wolle „das Schlimmste“ verhindern, nämlich eine Anpassung unter der Teuerung für alle. Am Freitag hieß es in einer Aussendung, dass man „zumindest einen Teilerfolg“ erreicht habe, wenn auch ohne direkte Zustimmung der Organisation. Das Ergebnis sei jedenfalls „weit entfernt“ von der ursprünglichen Idee von Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP), die Pensionen nur um zwei Prozent anzuheben, so Gerstorfer.

Zufrieden zeigte man sich aber nicht und gab sich auch kampfeswillig. Gerstorfer kündigte für kommende Woche eine Protestkundgebung ihrer Organisation vor dem Parlament an. Auch der Seniorenbund sah einen Erfolg durch seinen „massiven Druck“, Zustimmung gab es aber laut eigenen Aussagen nicht. Vielmehr forderte Korosec, künftig früher in die Gespräche eingebunden zu werden.

Die Vorsitzende der ÖGB-Pensionistinnen und -Pensionisten, Monika Kemperle, sah gleichfalls „noch viel Luft nach oben“, die Staffelung benachteilige wenigstens Bezieher und Bezieherinnen niedriger Pensionen nicht. Zufrieden zeigte man sich aber auch hier nicht. Auch in zahlreichen Pensionistenverbänden in den Bundesländern regte sich Unmut, der Pensionistenverband Steiermark etwa will am Montag in Graz demonstrieren.

Kritik kam von der FPÖ: Parteichef Herbert Kickl nannte die Anpassung einen „Sündenfall“. Dabei seien die Pensionisten durch die Anhebung ihrer Krankenversicherungsbeiträge bereits „zur Kasse gebeten“ worden, so Kickl: „Allein damit leisten die Pensionisten einen größeren Beitrag zur Budgetkonsolidierung als die Banken, die uns noch was schulden.“ Die Staffelung sei zudem ein weiterer „Schlag in das Gesicht des Mittelstandes“.

Der ehemalige Vorsitzende der Alterssicherungskommission, Walter Pöltner, nannte die Anpassung gar „populistisch“ und „nicht sozial“. Pensionen seien keine Sozialleistung, sondern eine Versicherungsleistung, sagte er im Gespräch mit den „Salzburger Nachrichten“ (Freitag-Ausgabe). Wenn nun jene, die mehr eingezahlt haben, weniger bekommen, widerspreche das „eindeutig“ dem Versicherungsprinzip. „Und das ist ungerecht.“

DIe Regierungsparteien sprachen die Kritik der Seniorenvertreterinnen bei der Vorstellung der Einigung auch direkt an. Die Verhandlungen seien nicht einfach gewesen, so Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ). Es gab mehrere Gesprächsrunden zwischen Regierung und Seniorenvertretung.

Es habe nicht den Spielraum gegeben, den sie sich gewünscht habe, so Schumann, man müsse jetzt das Budget stabilisieren. Sie sei sich der Verantwortung gegenüber Pensionisten und Pensionistinnen bewusst, daher auch die Staffelung. 71,4 Prozent bzw. 1,65 Millionen Menschen würden jedenfalls die volle Abgeltung der gesetzlichen Pension erhalten.

ÖVP-Klubobmann und Sozialsprecher August Wöginger sagte, dass auch der Fixbetrag, gerechnet auf 14 Monate 945 Euro, ein „herzeigbarer Betrag“ sei. Eine Begründung, warum gerade bei 2.500 Euro die Grenze gezogen wurde, nannte die Regierung nicht. Wöginger verwies darauf, dass die Grenze sowohl über der Median- als auch der Durchschnittspension von 1.704 Euro (Median) bzw. 1.840 Euro (Durchschnitt) für Männer und Frauen liege. Die durchschnittliche Pension für Frauen liegt laut aktuellen Zahlen des Sozialministeriums bei 1.557 Euro, jene für Männer bei 2.238 Euro.

NEOS-Sozialsprecher Johannes Gasser sprach von einer „umsichtigen Erhöhung“, alle Pensionisten erhielten jedenfalls eine Erhöhung. Der Effekt der Einsparungen werde sich zudem in den kommenden Jahren zeigen. Gasser sprach von 1,4 Milliarden Euro Spareffekt über die gesamte Legislaturperiode der aktuellen Regierung.

Gasser führte weiters an, dass für die Erhöhung alle Pensionsarten, die eine Person bezieht, also auch Sonderpensionen, zusammengerechnet werden sollen. Für eine Umsetzung, die auch Sonderpensionen der Länder umfasst, wäre eine Verfassungsregelung und damit eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Laut Regierung belaufen sich die Kosten für die Pensionsanpassung heuer auf 1,73 Milliarden Euro.

Die Präsidentin der Arbeiterkammer (AK), Renate Anderl, bezeichnete die Erhöhung als „vertretbar“, da der Großteil der Betroffenen die volle Erhöhung bekomme. Sie forderte in einer Aussendung, dass für die Budgetsanierung auch neue Einnahmen gefunden werden, und verwies wie zuvor auch Schumann auf die Bekämpfung von Steuerbetrug, hier sei „sehr viel Geld zu holen“.

Die Industriellenvereinigung (IV) nannte die Staffelung bei der Anpassung einen „richtigen Schritt“. Österreich habe kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Es brauche aber weitere Reformen, so die IV in ihrer Aussendung, etwa eine automatische Anpassung des Pensionsalters an die Lebenserwartung und die Einschränkung von Frühpensionen.

Die Grünen sahen „die wesentlichsten Forderungen“ der eigenen Partei umgesetzt, so der Grüne Arbeits- und Sozialsprecher Markus Koza. Bezieher kleiner und mittlerer Pensionen – mehrheitlich Frauen – hätten bereits einen großen Beitrag zur Budgetkonsolidierung leisten müssen. Koza vermisste allerdings weitere Beiträge zur Budgetkonsolidierung.

Der Präsident des Fiskalrats, Christoph Badelt, begrüßte grundsätzlich die soziale Staffelung, verwies im Ö1-Morgenjournal aber darauf, dass bei Staffelungen über mehrere Jahre höheren Pensionen ein Kaufkraftverlust drohe. Diese hätten aber auch mehr ins System eingezahlt. Es gebe allerdings keine politische Maßnahme ohne negative Effekte, am Ende zähle das Ergebnis.

Langfristig betrachtet müsse das Pensionssystem jedenfalls tiefgreifender reformiert werden, die Erhöhung des Pensionsalters sei für ihn ein „absolutes Muss“. Aus budgetärer Sicht müsse man das rasch angehen, realpolitisch und unter dem Gesichtspunkt des Vetrauensschutzes wäre es wichtig, schnell einen Beschluss zu finden und ihn dann innerhalb von acht bis zehn Jahren umzusetzen.

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