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Skispringen: Warum Olympia Kramers „Feuer“ löschte

Skispringen: Warum Olympia Kramers „Feuer“ löschte

Wie einst Skilegende Petra Kronberger hat auch Sara Marita Kramer am Mittwoch mit nur 23 Jahren ihre Karriere beendet. Nach gesundheitlichen Problemen fand die Überfliegerin nicht mehr in die Spur. Die wegen einer Coronavirus-Infektion verpassten Olympischen Spiele 2022 wurden zum Wendepunkt einer „Achterbahnfahrt“, so Kramer im ORF-Interview: „Es war schon etwas, was Wasser über das Feuer geworfen hat.“

Mit 15 Weltcup-Siegen und dem Gewinn des Gesamtweltcups in der Saison 2021/22 kombiniert mit Teamgold bei der Weltmeisterschaft 2021 in Oberstdorf gehört Kramer zu den erfolgreichsten rot-weiß-roten Skispringerinnen. In den vergangenen zwei Jahren wurde die Salzburgerin, die auch die niederländische Staatsbürgerschaft besitzt, aber von gesundheitlichen Problemen – unter anderem einer Gürtelrose – zurückgeworfen. Am Mittwoch zog die 23-Jährige einen Schlussstrich.

„Es ist sehr befreiend und fühlt sich jetzt realistisch an“, sagte Kramer am Donnerstag bei einem Pressetermin auf der Innsbrucker Bergisel-Schanze gegenüber dem ORF. Dabei sah sich die Salzburgerin in ihrer „absolut richtigen“ Entscheidung, dem Skispringen den Rücken zu kehren, bestätigt: „Ich habe mir oben an der Schanze nicht gedacht, wo sind meiner Skier, sondern eher, wie crazy, dass das mein ganzes Leben war“, so Kramer.

Beim Blick von der Innsbrucker Schanze sei ihre „sehr coole und prägende“ Sportlerzeit kurz an ihr vorbeigezogen. Vor allem der WM-Erfolg mit der Mannschaft in Oberstdorf („Die Energie und die Emotionen damals waren irre“) und ihr erster Weltcup-Sieg am 11. Jänner 2020 im japanischen Sapporo („Da ist ein Kindheitstraum realistisch geworden“) leuchteten dabei besonders hell auf: „Aber die Entscheidung (aufzuhören, Anm.) fühlt sich absolut richtig und sehr, sehr gut an.“

Denn gerade das Gefühl sei in den vergangenen zwei schwierigen Jahren, wo Kramer vor allem mit ihrer Gesundheit kämpfte, alles andere als gut gewesen. „Es war schmerzhaft, so machtlos zu sein, weil mein Körper dauerhaft krank war. Ich habe gemerkt, ich will, aber es geht nicht mehr. Ich habe zuschauen müssen, wie die Energie verschwindet“, erinnert sich die Salzburgerin an ihre Leidenszeit. Danach sei sie nie mehr richtig auf Touren gekommen, nicht nur körperlich, sondern auch mental. Sie habe unbewusst „das Feuer selbst langsam gelöscht“.

Die Motivationshürden seien letztlich zu hoch geworden. „Damit man ganz oben stehen kann, braucht man diese komplette Überzeugung, nicht nur hundert Prozent, sondern 120, 130. Du musst es wirklich wollen. Ich habe gemerkt, dass irgendwas in mir nicht mehr zu hundert Prozent will“, so Kramer. Daher entschloss sie sich auch vor dem Olympiawinter, ihre Karriere zu beenden. „Mein Kopf wollte die Story noch fertig schreiben, aber es war, als ob ich mit (angezogener, Anm.) Handbremse Gas gebe.“

Apropos Feuer: Im Nachhinein war der Umstand, dem Entzünden der olympischen Flamme in Peking vor drei Jahren nur vor dem TV zuschauen zu müssen, der Knackpunkt in Kramers Karriere. Nach sechs Saisonsiegen galt die Junioren-Weltmeisterin von 2020 als große Favoritin auf Gold, ein positiver CoV-Test holte Kramer aber praktisch aus dem Flieger Richtung China. „2022 war sicher ein Knackpunkt“, so Kramer. Ihr Leben sei damals aus der Balance geraten.

Den Frust über das Platzen ihres Olympiatraums habe sie in der Folge auch nicht richtig verarbeitet: „Ich bin einfach meinen Weg weitergegangen. Dabei habe ich vergessen, einmal stehenzubleiben und darüber nachzudenken, was wichtig ist.“ Daraufhin sei sie in „eine Spirale gekommen“, die formmäßig nur nach unten führte. Ihr Beruf als Sportlerin habe sich „nicht mehr echt angefühlt“.

Mit der Entscheidung aufzuhören, habe sie trotzdem lange gerungen, wie Kramer in ihrem emotionalen Abschiedsvideo wissen ließ. „Ich war immer stolz darauf, jemand zu sein, der nicht aufgibt. Deshalb war diese Entscheidung auch so verdammt schwer, weil es auch nicht das Ende ist, das ich mir vorgestellt habe“, so die Salzburgerin in ihrem Posting, „ich wollte nicht, dass die Story so aufhört“.

Die Reaktionen auf das Ende der Geschichte fielen aber trotzdem positiv aus, so Kramer. „Die Nachrichten waren alle so lieb, und es ist mir wieder bewusst geworden, dass der Erfolg nicht das Wichtigste ist. Die Menschen haben mich wieder als Person wahrgenommen. Das hat mich sehr berührt“, sagte die nunmehrige Skisprungpensionistin, „dass ich mit meinem Weg so viele Menschen inspirieren konnte, macht etwas mit mir. Das hat mich sehr berührt.“

Wie es nun weitergeht, steht laut Kramer noch in den Sternen. „Ich hatte immer nur Plan A und der war Skispringen“, so die Salzburgerin. Mit dem vollzogenen Karriereende sei der Kopf frei für weitere Pläne: „Ich hatte immer das Gefühl, ich muss das eine beenden, damit die Türen für etwas anderes aufgehen.“ Die Tür zum Büro des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) ist jedenfalls bereits offen, wie Florian Liegl, seines Zeichens sportlicher Leiter der Skisprungsparte bereits am Mittwoch klarstellte.

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