Martina Reuter hat über 30 Kilo abgenommen – und erntet dafür Kritik. In ihrem neuen Buch erklärt sie, warum Body Positivity kein Freibrief ist.
Reuter begegnet der Kritik mit Klarheit. "Jeder kann selbst entscheiden, was er schön findet. Bei mir geht es in erster Linie um die Gesundheit und Übergewicht ist nicht gesund. Punkt. Body Positivity ist ja auch kein Freifahrtschein zum Fressen. Man muss eine Balance halten, um sich gesund und fit zu fühlen. Ich glaube, die Leute, die darüber urteilen, sind neidisch. Ich habe nie gesagt, dass ich mich unwohl gefühlt habe. Ich habe mich auch als curvy Frau richtig gut gefühlt. Aber das Leben ist Veränderung. Ich habe nirgendwo unterschrieben, dass ich mein Leben lang curvy bleiben muss. Ich bin jetzt einfach in meinem Leben den nächsten Schritt gegangen und fühle mich ehrlich gesagt echt wohl, weil ich habe das Gefühl, ich habe mich verjüngt."
Der Anstoß für die Transformation kam am 17. März 2024 beim Geburtstagsessen ihrer Mutter. Ein deftiges Menü, viele Kuchenstücke und ein Blick in den Spiegel später war für Reuter klar, so geht es nicht weiter. "Ich hab mich im Spiegel gesehen und gesagt: Es reicht." Sie fühlte sich schwer, müde, überfordert. "Ich war auf Höchstgewicht – 102, 103 Kilo bei 1,83 m. Mir war schlecht, ich war träge, ich war erschlagen." Was als stille Erkenntnis begann, wurde zu einem persönlichen Projekt, geheim und ganz für sich allein.
Anstatt auf Diäten zu setzen, entwickelte sie eine eigene Methode. Alle 14 Tage ließ sie ein ungesundes Lebensmittel weg. "14 Tage klingen kürzer als zwei Wochen. Das war mein Trick, um es durchzuhalten", erklärt sie. Den Anfang machte ihr geliebter Kaffee. "Ich war ein Kaffeejunkie. Cappuccino war für mich wie eine Decke, in der ich mich eingekuschelt habe." Der Verzicht war hart. "Mir war schlecht, ich hatte Kopfweh, ich hatte voll Entzug." Monate später in New York, als sie sich ausnahmsweise einen Cappuccino gönnte, war klar, wie weit sie gekommen war. "Ich habe einen Schluck genommen – und er war grausig. Ich habe mich fast übergeben."
In den ersten Monaten sprach sie mit niemandem über ihre Veränderung. "Ich habe das niemandem erzählt. Das war mein Top-Secret-Geheimnis. Nicht mal meine Kinder wussten es." Auch gegenüber Freundinnen wich sie aus. "Wenn jemand sagte: Lass uns auf einen Kaffee treffen, habe ich gesagt: Ich hab schon einen getrunken." Warum diese Heimlichkeit? "Du bekommst immer 50 Prozent Zustimmung und 50 Prozent Ablehnung – das bringt dir nichts. Wenn du etwas verändern willst, mach es für dich. Und rede nicht drüber, bis du stark genug bist."
Ein halbes Jahr nach Beginn ihrer Veränderung machte Reuter einen Gentest. "Da kam raus, dass Kaffee bei mir den Stoffwechsel stoppt. Das war mein persönlicher Gamechanger." Diese Erkenntnis bestärkte sie. "Ich war so stolz, weil ich intuitiv genau das Richtige gemacht habe." Sie ergänzt: "Ich bin durch meine Abnehmreise zur Expertin geworden, nicht durch Bücher oder Kurse, sondern durchs eigene Erleben."
Mit der Veränderung kam auch viel Gegenwind. Besonders im Netz wurde sie mitunter scharf angegangen. Reuter begegnet dem mit Gelassenheit. "Ich bin dankbar für jeden Hater – sie schenken mir ihre Lebenszeit. Die könnten Sport machen, mit ihren Kindern spielen, aber sie schreiben mir stattdessen, wie blöd ich bin." Sie versteht, warum manche irritiert reagieren. "Menschen sind Gewohnheitstiere. Wenn die Reuter mit Größe 44 kommt und plötzlich 38 hat, dann ist das nicht mein Problem, sondern ihres."
Im August 2024 saß Reuter allein in New York und fasste einen Entschluss: "Ich werde auf der New York Fashion Week laufen." Sie schrieb Designerinnen über Instagram, flog regelmäßig über den Atlantik, alles auf eigene Faust. „Ich habe alle sechs Wochen einen Flug gebucht“, sagt sie. Zwei Wochen vor der Fashion Week kam die Zusage. „Ich bin total ausgerastet. Ich hatte ein Ticket als Zuschauerin – und plötzlich lief ich mit.“
Heute fühlt sich Martina Reuter stärker denn je. „Ich bin unschlagbar. Ich habe Kraft, ich habe Energie, ich fühle mich gesünder, fitter denn je.“ Doch sie betont, wie viel Disziplin hinter allem steckt. „Es war nicht angenehm. Es war ein Prozess voller Disziplin. Aber ich wollte das. Ich habe mir ein Ziel gesetzt und ich habe es erreicht.“
Für die Zukunft hat sie Pläne, aber keinen Druck: "Ich will in Amerika Fuß fassen." Trotz Zielstrebigkeit bleibt sie entspannt. „Ich verfolge mein Ziel mit Leichtigkeit. Wenn’s klappt, super. Wenn nicht, war es trotzdem eine geile Erfahrung.“